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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Wagen.«
    »Hatte sie vielleicht noch etwas zu erledigen? Behördengänge? Beglaubigungen?«
    »Auch nicht. Sie war anerkannt.«
    »Anerkannt?«
    »Das heißt, die Ukrainische Nationalstiftung und der Deutsche Stiftungsfonds haben ihren Fall geprüft und ihr eine Entschädigung zugestanden. Es sind wirklich keine Reichtümer, die ausgezahlt werden, ein paar tausend Euro nur. Und ein paar Euro mehr Rente. Soweit ich weiß, wurde das schon vor mehr als zwei Jahren erledigt. – Wer sind Sie?«
    Ich legte auf.
    Olga W., eine Spaziergängerin am Landwehrkanal, eine ehemalige Zwangsarbeiterin, die mit ihrer Vergangenheit Frieden geschlossen hatte, deren Akten bearbeitet, deren Ansprüche getilgt waren, war tot.
    Der Tod war bisher ein gnädiger Gast in meinem Leben gewesen. Er hatte mir, bis auf meinen Vater, niemanden geraubt. Er hatte Abel von Lehnsfeld sanft mit sich geführt und schlich nun leise an der Zimmerflucht der Freifrau entlang. Er war gegenwärtig, aber nicht aufdringlich.
    Bei Olga W. aber hatte er hart und plötzlich zugeschlagen. Niemand
hatte damit gerechnet. Der Gemeindepfarrer klang ehrlich betrübt. Diese Fast-Unbekannte hatte hier jemanden, der ihren Tod betrauerte. Das berührte mich.
    Aber es betraf mich nicht. Ich konnte die Kopie beruhigt dem Reißwolf anvertrauen.
    Ich zog die Schublade auf und suchte sie. Ich suchte lange. So lange, bis mir klar wurde, dass irgendjemand das bereits für mich erledigt hatte.

8
    Sigrun steckte in Mariendorf-Süd. Ich wollte mit ihr reden und dachte, es wäre eine gute Idee, sie abzuholen.
    Gegen halb zehn traf ich im Gartenkrug ein, einer Kneipe direkt an einer der neuen Ausfallstraßen aus Berlin, die die Wende immer noch nicht verkraftet hatten. Kleine Einfamilienhäuser trotzten dem immer stärker werdenden Verkehrsaufkommen. Auf teuren Grundstücken in der Vorwendezeit erbaut, hatten ihre Besitzer nun neben dem Solidaritätszuschlag einen weiteren Grund, dem alten Westberlin nachzutrauern. Die Häuser waren nichts mehr wert, solange der gesamte Südverkehr Berlins durch die Vorgärten brauste.
    Ich betrat leise den Veranstaltungsraum. Mariendorf-Süd war eine Hochburg von Sigruns Partei, der Ortsverband fest in der Hand des konservativen Flügels. Sie hatte lange mit dem Vorsitzenden schachern müssen, bis sie endlich zu einem jener Diskussionsabende eingeladen wurde, auf denen sie sich den Mitgliedern präsentieren konnte. Ihr Vortrag beschäftigte sich zwar mit Bildungschancen, hatte aber in den letzten Tagen von ihrer Hand noch einen innenpolitischen Schliff bekommen.
    Meyer, der Ortsverbandsvorsitzende und familienpolitische Sprecher der Fraktion, thronte mit zusammengekniffenem
Mund am Kopfende der hufeisenförmig aufgestellten Tische. Neben ihm saß Sigrun und lauschte scheinbar interessiert den endlosen Ausführungen eines Parteifreundes, der sich nicht mit ihrer Bildungsoffensive anfreunden konnte. Als ich eintrat, lächelte sie mich kurz an. Dann hörte sie weiterhin aufmerksam zu. Sie nickte freundlich, notierte sich einige Aspekte, auf die sie in ihrer Antwort eingehen würde, trank einen Schluck Wasser und strich sich verstohlen mit der Hand über die Schläfe. Es war stickig in dem Raum, einige der Anwesenden rauchten, und es roch nach schalem Bier. Ich beschloss, draußen zu warten, nickte ihr kurz zu und ging hinüber in die Gaststube. Mit einem kleinen Bier setzte ich mich hinaus auf die Veranda.
    Es dauerte eine knappe halbe Stunde, dann war die Veranstaltung beendet. Einige verließen eilig den Gartenkrug, andere standen noch in kleinen Gruppen zusammen. Sigrun stellte sich zu ihnen. Sie hatte mich entdeckt, wurde aber von Meyer noch mit kritischen Stellungnahmen eingedeckt. Als sie endlich zu mir kam, war es halb elf.
    »Du holst mich ab?« Sie gab mir einen schnellen Kuss auf die Wange.
    Ich winkte die Bedienung heran, und Sigrun bestellte eine Weinschorle. Meyer kam an unserem Tisch vorbei, begrüßte mich und ging dann die Stufen der Veranda hinunter.
    »Hast du ihn jetzt endlich auf deiner Seite?«, fragte ich.
    Sigrun sah ihm hinterher und runzelte die Stirn. »Ich weiß es nicht. Könnte sein.« Die Weinschorle wurde unsanft vor ihr abgestellt und schwappte über.
    »Manchen von denen ist schon eine Familiensenatorin suspekt. Andere können sich sogar eine Bundeskanzlerin vorstellen. Das Dumme ist, ich kann mich ja gar nicht innenpolitisch profilieren. Noch nicht. Das muss alles bis nach den Wahlen warten.« Sie tupfte die

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