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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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meine. »Er hat es gehört«, schluchzte sie. Dann schlugen wir gemeinsam mit voller Kraft an die Mauer. Bumm bumm bumm. Der Unbekannte antwortete. Bumm bumm bumm.
    Ich machte mich auf den Rückweg zur anderen Wand. Ich rüttelte Utz und Sigrun mit aller Kraft. Sigrun wurde wach, bei Utz gelang es mir nicht.
    »Da draußen ist jemand. Wir geben Klopfzeichen.«
    Marie-Luise klopfte wieder, doch dieses Mal antwortete niemand.
    »Was ist los?«, fragte sie. »Warum hört er auf?«

    Sie klopfte wieder. Und wieder. Niemand klopfte zurück. Sigrun wollte aufstehen. Sie stolperte und bewegte sich dann wie ich auf allen vieren. Schwer atmend erreichten wir die andere Wand.
    »Was ist los?«, flüsterte Sigrun.
    »Wir haben Klopfzeichen gehört.«
    Wir lauschten, das Ohr an die Wand gepresst. Es surrte. Es dröhnte. Es klang weit entfernt wie beim Zahnarzt. »Er hat den Bohrer gefunden«, sagte ich.
    Wir konnten nicht viel tun als auf dem Boden liegen, flach atmen und lauschen, wie der Retter näher kam. Und beten, vielleicht.
    Dann setzte das Bohren aus, wurde durch Hämmern ersetzt, und schließlich löste sich ein Ziegelstein. Er landete nur zwei Zentimeter von meinem Kopf entfernt auf dem Boden.
    »Hallo, ist da jemand?«
    Kevin. Ich hätte ihn umarmen können, wenn ich noch die Kraft dazu gehabt hätte.
    Er holte den Schlagbohrer und stemmte weitere Steine weg. Das Loch wurde größer. Licht drang herein. Ich kroch zu Utz und versuchte, ihn hochzuheben. Dann kam die Luft. Nicht viel, aber ich spürte, wie sie belebte. Marie-Luise und Sigrun halfen mir. Gemeinsam zerrten und zogen wir Utz an die Öffnung. Er gab einen gewaltigen Schnarchlaut von sich und erwachte.
    »Haltet ihr es noch ein bisschen aus?«, fragte Kevin. »Ich hol euch da raus. Nur keine Panik.«
    Niemand geriet in Panik, dazu waren wir zu erschöpft. Endlich konnten wir seinen Kopf sehen.
    »He«, sagte ich, »danke.«
    »Keine Ursache.«
    Kevin war blass und sah nervös aus. Er setzte den Bohrer an und arbeitete weitere Ziegel heraus. Schließlich war das Loch groß genug, dass Sigrun hindurchschlüpfen konnte. Wir schoben.
Kevin zog, sie landete sicher, wenn auch ein wenig wackelig, auf dem Boden. Dann halfen wir Marie-Luise hinaus. Sie taumelte, und Kevin stützte sie so lange, bis sie sicher stehen konnte.
    »Utz, wird es gehen?«
    Utz nickte. Kevin löste noch zwei weitere Steine, dann kletterte Utz hinüber, zum Schluss kam ich. Als wir alle auf der anderen Seite waren, sahen wir uns an. Bleiche, hohläugige, staubbedeckte Gespenster.
    Es war taghell. Die Sonne schien durch die Oberlichter und blendete uns so stark, dass wir uns nur blinzelnd ansehen konnten. Wir hatten zwölf Stunden in dem Keller gesessen.
    Wir verließen das Haus und setzten uns erschöpft auf die Wiese. Im Rücken türmten sich die angehäuften Hügel über unserem Beinahe-Grab.
    »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte Kevin. »Wenn ich euch so anschaue, zu Recht.«
    Utz klopfte ihm auf die Schulter. »Das hast du gut gemacht, mein Junge.«
    »Marie-Luise hat mir erzählt, dass ihr noch mal hier rauswollt. Ich konnte die ganze Nacht niemanden erreichen. Ich habe es sogar heute Morgen im Abgeordnetenhaus versucht, bei Ihrem Fraktionssekretariat. Sie haben einen Wahlkampfauftritt heute Vormittag in Marienfelde verpasst.«
    Er sah unsicher zu Sigrun. Sie klaubte sich gerade kleine Zementkrümel aus den Haaren und sah nur kurz hoch.
    »Dann habe ich Ekaterina so lange bekniet, bis sie mir die Geschichte von dem Haus hier und den Plänen erzählt hat. Auch von dem Keller. Also bin ich hierhergefahren. Ich habe nebenan geklingelt und gefragt, ob irgendjemand was bemerkt hat. Sie hätten beinahe den Hund auf mich gehetzt. Erst der Krach mit dem Umzugswagen und dann die nächtliche Ruhestörung, da hätte man ja taub sein müssen, haben sie gesagt. Jemand ist nachts hier im Garten mit dem Bagger spazieren gefahren. Als
ich dann das da gesehen habe, habe ich mir richtig Sorgen gemacht.«
    Er wies auf den nicht mehr vorhandenen Rasen. Der Baggerfahrer hatte wie ein Berserker gewütet. Überall klafften Löcher und tiefe Fahrspuren. Dort, wo der Gang ins Haus geführt hatte, hatte sich das Erdreich sanft abgesenkt.
    »Und alles wurde fein säuberlich auf einen Haufen gekippt. Erst dachte ich, vielleicht ist es ja Marie-Luise gewesen. Der traue ich alles zu.«
    Marie-Luise holte symbolisch zu einer Ohrfeige aus, unterließ die Strafe dann aber, weil wir alle lachen mussten. Nur Sigrun

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