Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
aus ihrer Hosentasche und schloss die Tür des Jaguars auf. Utz ließ sich auf den Sitz fallen und lehnte sich schwer atmend zurück.
»Er muss nach Hause. Wir können hier nicht länger bleiben.«
»Okay«, sagte ich. »Bring ihn zurück. Wir lassen uns inzwischen etwas einfallen.«
Sigrun wollte gerade die Tür zuschlagen, da richtete sich Utz auf. »Warte.«
Er hielt mir seine Waffe entgegen. »Sie ist unbenutzt. Es wäre mir lieb, wenn es so bliebe.«
Ich steckte sie ein. »Danke.«
Sigrun schlug die Tür zu, aber sie ließ den Motor nicht sofort an. Es sah aus, als ob sie noch etwas sagen wollte. Doch offenbar überlegte sie es sich anders, startete und fuhr fort. Marie-Luise warf eine Kusshand hinterher. »Vielen Dank für meine Rettung. Das war sehr freundlich von Ihnen. Gott vergelt’s. Und wenn ich mich beeile, schaffe ich auch noch das Rosenverteilen heute Nachmittag im Rudower Seniorenheim.«
»Lass sie«, sagte ich. »Sie hat heute Nacht eine Menge erfahren müssen. Am meisten wohl über sich selbst. Ich bin mir nicht sicher, ob sie das überhaupt alles wegstecken kann.«
»Na, Hauptsache, wir können das. Du hättest mich ruhig auch mal so nett trösten können. Sie ist ja fast durchgedreht da unten.«
Ich seufzte. »Eben. Sei froh, dass du anders bist.«
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte Kevin dazwischen. »Fahrt ihr beide zusammen, oder muss man damit rechnen, dass ihr unterwegs noch das Ring-Center in die Luft jagt?«
Ich lächelte Marie-Luise an und legte den Arm um sie. Widerwillig ließ sie es geschehen. »Sag deiner Sigrun bei Gelegenheit, dass sie ihren Jaguar nicht direkt hinter dem Auto ihres Mörders parken soll. Aaron wusste genau, dass sie auch da unten war.«
»Es gibt noch etwas.« Ekaterina trat zu uns. »Ich habe noch kein Visum für euch bekommen. Ihr könnt erst am Montag fliegen.«
»Scheiße.« Marie-Luise löste sich aus meiner Umarmung und suchte ihre Autoschlüssel. Wir wussten, was das hieß.
»Es pressiert«, sagte ich. »Wir müssen herausfinden, wohin Aaron den Lkw gebracht hat. Wenn er wirklich nach Kiew will, welche Maschine kann er nehmen?«
»Ich vermute, die Ucrainian«, antwortete Ekaterina. »Sechzehn Uhr zwanzig.«
In knapp vier Stunden. »Wir müssen uns beeilen.«
»Und ich?«, fragte Kevin.
Ich konnte ihn nicht nach Hause schicken. Nicht nach allem, was er heute für uns getan hatte. Aber ich wollte ihn auch aus der Schusslinie haben.
»Du fährst in die Kanzlei. Lass das Telefon nicht aus den Augen. Du bist unser Kontaktmann. Ruf uns jede halbe Stunde an. Wenn wir uns nicht melden, dann informiere die Polizei.«
Ich machte ein ausgesprochen ernstes Gesicht. Kevin nickte. Ich klopfte ihm von Mann zu Mann auf die Schulter.
»Nimm Ekaterina mit, und zeig ihr die Fotos von Aaron. Ekaterina, du fährst weiter zum Flughafen. Wenn du ihn siehst, und wir sind noch nicht zurück, tu irgendetwas. Aber hindere ihn daran zu fliegen.«
Ekaterina und Marie-Luise umarmten sich. Dann rannten wir zu ihrem Wagen und fuhren los.
41
Connie hatte mir einmal erzählt, dass in ihrem Haus in der Akazienstraße vor kurzem ein Wollgeschäft eröffnet hatte. Sie hatte sich darüber gewundert, dass die Menschen trotz der exorbitanten Preise für ein Fünfzig-Gramm-Knäuel wieder anfingen zu stricken.
»Schau nach einem Handarbeitsladen«, bat ich Marie-Luise, während ich die belebte Straße so langsam wie möglich hinunterfuhr.
»Da!«, rief sie.
Ich hielt in der zweiten Reihe, was ein Hupkonzert und die unflätige Beschimpfung eines Rennradfahrers hinter mir nach sich zog. Marie-Luise rutschte fluchend hinter das Steuer und machte sich auf die Suche nach einem Parkplatz. Ich klingelte. Es war Sonnabend, früher Nachmittag. Ein Teil der Geschäfte hatte noch geöffnet, die meisten Leute ohne echte Sorgen machten jetzt die letzten Wochenendbesorgungen.
»Das wurde aber auch Zeit!«
Ich zuckte zusammen, als ich Connies Stimme aus der Gegensprechanlage hörte. Sie war da. Der Türsummer brummte, und ich trat ein. Connie wohnte im vierten Stock. Ohne Fahrstuhl. Sie stand mit hochgebundenen Haaren und blütenweißen Turnschuhen in der Tür. Als sie mich sah, verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht.
»Du?«, fragte sie. »Wie siehst du denn aus? Ich bin zum Tennis verabredet. Ich habe also nicht viel Zeit.«
Ich blieb schwer atmend vor ihr stehen.
Sie sah mich unsicher an. »Ein bisschen Sport würde dir auch ganz guttun.«
»Er wird nicht kommen«,
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