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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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extra aus einem Sterne-Restaurant in Mitte abberufener Meisterkoch hatte sich in die Küche gestellt. Walter, der sich in allen Lebenslagen auskannte, servierte. Die Freifrau saß am Kopfende und nickte dann und wann ein, während Utz sein wohlgefälliges Auge auf Sigrun und mir ruhen ließ. Ich hatte das Gefühl, er wusste, was an diesem Abend geschehen würde.
    »Na«, fragte er nach dem gebratenen Rotbarbenfilet auf Korianderlinsen, »wann ist es denn nun so weit?«
    Ich hüstelte etwas verlegen.
    Utz blickte zu Walter. »Ich hätte gerne noch eine Flasche von dem 96er Riesling. Im Keller.«
    »Mein Herr.« Walter verschwand.
    In diesem Haus gab es Kommunikationsebenen, die ich niemals verstehen würde. Ich flüsterte Sigrun zu, dass ich verehelicht eine ähnliche Anrede wünschte, und sie trat mir ans Schienbein.
    Utz widmete seine ungeteilte Aufmerksamkeit wieder mir. »Ich bin alt«, sagte er. »Und ich werde müde. Nicht so müde wie meine Frau Mutter …«
    Die Freifrau gab einen herrlich sonoren Schnarcher von sich.
    »… aber die Kräfte schwinden. Ich will mein Haus bestellen. Du weißt, dass ich meine Vorbehalte gegen dich hatte. Das ist kein Wunder, denn deine Ansichten und dein Benehmen waren – nun ja, etwas unausgereift. Doch Sigrun … «, ein liebevoller Blick senkte sich auf den Scheitel der errötenden Tochter, »… hat sich nicht beirren lassen. Eine Zernikow, wie sie im Buche steht. Starrsinnig, rechthaberisch und doch mit einem Blick fürs Wesentliche. Sie hat früh erkannt, was in dir steckt. Früher als alle anderen.«
    »Früher«, murmelte die Freifrau und erwachte kurz. Ihre schwimmenden grauen Augen suchten das Weinglas. Es war leer.
    »Walter holt noch eine Flasche.« Utz tätschelte beruhigend
ihre Hand. Sie nickte wohlwollend und lehnte sich wieder in ihren Hochlehnstuhl zurück. Mit geschlossenen Augen vermied sie es, Aufmerksamkeit zu erregen, und bekam trotzdem alles mit. Ich hielt sogar ihre Schnarcher für ausgesprochen überlegt platziert.
    »Früher sogar als ich.« Utz nickte mir zu. »Aber noch bin ich nicht so starrsinnig, dass ich Irrtümer nicht einsehen kann. Also. Ich will einen Partner haben, einen Schwiegersohn und demnächst auch einen Enkel. Ist das ein Angebot?«
    »Falsch«, antwortete ich. »Eine Forderung.«
    Utz lachte, auch Sigrun stimmte etwas gequält mit ein. »Wir sind doch hier nicht auf einem Kamelmarkt«, sagte sie.
    Es klopfte. Der Koch trat ein. Ich war erleichtert über die Unterbrechung der Verhandlungen.
    »War alles recht?«, erkundigte er sich mit österreichischem Zungenschlag. Utz nickte.
    Das Abräumen des Geschirrs, das Auftragen des nächsten Ganges – Bresse-Taubenbrust in Baumkuchenmantel mit Gänseleber – und das geräuschvolle Erwachen der Freifrau gaben mir Gelegenheit zu einer flüsternden Kurzberatung mit Sigrun.
    »Was will er denn?«, fragte ich sie.
    »Sein Haus bestellen«, antwortete Sigrun. »Er will wissen, dass ich in guten Händen bin, wenn er einmal geht.«
    »Aber doch nicht in seinem Alter.«
    »Doch. Immer. In jedem Alter. Es muss alles Hand und Fuß haben.«
    Ich lächelte. »Reicht dir das denn? Nur Hand und Fuß?«
    In ihren Augenwinkeln glitzerte ein Lächeln.
    Der Koch verschwand in seinen Feierabend, verkündete noch etwas von einem Dessert, das nach Birnenchips an Mousse von der Blüte klang und später von Walter serviert würde, und Utz wollte wissen, was wir denn zu flüstern hätten.
    »Nichts, was du nicht wissen dürftest. Wir haben uns verlobt.«
Sie lächelte mich an. »Er hat mir soeben Hand und Fuß angeboten.«
    Diese Interpretation überraschte mich nun doch. Aber ich hatte nicht die Zeit, es mir anders zu überlegen. Utz strahlte übers ganze Gesicht, umrundete den Tisch und drückte mich an seine Brust.
    »Das freut mich«, sagte er. »Meinen herzlichen Glückwunsch. Sohn.« Dann umarmte er seine Tochter.
    Die Freifrau blickte verwirrt und wurde kurz informiert. »Verlobt? «, fragte sie, »Doch nicht etwa mit dem da?«
    »Mutter!«, rief Utz.
    Sigrun lachte. »Doch, Omi. Aber mach dir keine Sorgen. Meinen Namen werde ich behalten.«
    »Dein Name«, erwiderte die Freifrau empört. »Dein schönerrr Name! Verhunzt hast du ihn, der wird nicht mehr besserrr!«
    Sie rollte das R wie ein Ufa-Filmstar. Sigrun bestritt vehement, dass sie jemals auf einer Bühne gestanden hatte. Doch die Art, wie sie urplötzlich ins Deklamieren geriet, erinnerte an vergessene Diven.
    Walter kam herein. Ich wurde das

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