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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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messingverzierte Kabine mit einer samtbezogenen kleinen Sitzbank. Er sah sich noch einmal um, wohl um sich zu versichern, ob ich immer noch in meiner Bürotür stand, dann schob er die Freifrau schnell hinein und drückte einen der Knöpfe. Bis die Tür sich schloss, starrte er mich an. Es war Hass in seinen Augen.
    Meine Mutter sollte ich grüßen. Es war verhältnismäßig ruhig gewesen die letzten Tage. Zu ruhig. Ich sollte einmal nach dem Rechten sehen.
    Connie kam den Gang herunter. »Du bist noch hier?«

    Ich sah auf die Armbanduhr und fluchte leise vor mich hin. Wir hatten einen Termin beim Senator für Stadtentwicklung und Bauwesen.
     
    Bis zum Abend kühlte es kaum ab. Als ich kurz vor sieben wieder zurück war, lag eine drückende Schwüle über dem Garten, der sich im Laufe des Tages in eine Art Tausend-und-eine-Nacht-Spielplatz verwandelt hatte. Weiße Zelte verbreiteten eine orientalische Atmosphäre, kleine Stehtische waren überall im Park verteilt. Äußerst attraktive Mädchen mit weißen Schürzen ordneten Gläser auf Tabletts. In einem lang gestreckten Zelt war bereits für das Buffet eingedeckt. Die Bain-Maries liefen warm, Köche mit hohen weißen Mützen gaben ihrer Brigade bellende Anweisungen. Von den Arbeitern war nichts mehr zu sehen. Ich vermutete, sie würden bis Sonnenaufgang mit dem Abbau warten, um es dann noch mal richtig krachen zu lassen.
    Ich ging in die Wohnung und stellte mich unter die Dusche. Nachdem ich mich rasiert und mir zum vierten Mal an diesem Tag die Zähne geputzt hatte, zog ich einen dunklen Anzug an, dazu ein weißes Hemd und eine Krawatte. Ich war gerade fertig, als Sigrun völlig außer Atem ins Schlafzimmer platzte.
    »Mist!« Sie lief zum Fenster und sah hinaus. »Warum gibt es immer Leute, die zu früh kommen? Schau dir das an! Die Kaufmanns. Immer dasselbe. Immer zu früh. Weißt du, was ich glaube?«
    »Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß und versuchte, die Manschettenknöpfe einzupulen.
    »Sie klauen. Beim letzten Mal hat eine Champagnerschale gefehlt.«
    Ich trat neben sie und lugte durch die Gardinen. Die Kaufmanns, ein Paar mittleren Alters, umgeben von einer Aura dekorativen Wohlstands, standen am Zelteingang und steckten die Köpfe zusammen. »Wie sollen die das denn gemacht haben?«
    »Keine Ahnung. Na endlich. Wurde auch Zeit.« Eine der
zarten Elfen bot den beiden etwas zu trinken an. Sigrun wendete sich seufzend ab. »Ich brauche mindestens zwei Stunden, bis ich wieder unter Leute kann. Ich ertrage diesen Fraktionsvorsitzenden nicht. Jetzt musste ich dieses Gesicht schon den ganzen Nachmittag ansehen, und in einer halben Stunde taucht er hier auf und küsst mir die Hand.«
    »Warum hast du ihn dann eingeladen?«
    Sigrun sah mich nur mitleidig an. »Bring mir was zu trinken.«
    Sie zog sich aus. Ich holte Eis und goss ihr einen Whiskey ein. Als ich ihn ihr brachte, nahm ich sie in die Arme und küsste sie. »Herzlichen Glückwunsch.«
    In diesem Moment fiel es mir ein. Ich hatte die Ringe vergessen.
    Sie machte sich los und trank einen Schluck. »Ist was? Du bist so blass.«
    Ich suchte nach Worten, um ihr meine desaströse Lage zu erklären, doch sie wendete sich nur müde ab. »Geh schon mal raus. Ich brauche noch ein paar Minuten für mich.« Sie wirkte mit einem Mal unendlich erschöpft.
    »Sigrun, es tut mir leid.«
    Sie antwortete nicht. Der Moment erschien mir äußerst ungünstig für Geständnisse über vergessene Verlobungsringe.
    Inzwischen waren noch mehr Gäste eingetroffen. Vor der Auffahrt drängelten sich dunkle Limousinen, aus denen Fahrer eilfertig heraussprangen, die Türen öffneten und nach erfolgter Lieferung weiterfuhren. Ich erkannte Mitarbeiter mehrerer Botschaften, Politiker der beiden großen Volksparteien, Manager, Klienten, Kollegen sowie zwei Schauspieler der Berliner Vor-Wende-Ära. Immer wieder flammten Blitzlichter auf. Ich entdeckte Dressler, der gerade schwitzend einen Film wechselte.
    »Mein lieber Herr Vernau!«
    Das Trillern dieser Stimme kannte ich. Vor mir stand Verena
von Lehnsfeld und begrüßte mich überschwänglich, wobei sie mehrmals ihren Lippenstift an meine Wange schmierte. »Wo ist Sigrun?«
    Ich deutete aufs Haus. Aus dem Wagen entknotete sich gerade Aaron, der mit einem breiten Lächeln auf mich zukam, mir an den Oberarm griff und sich an die nächststehende Serviererin heranmachte. Hoffentlich war sie volljährig. Verena griff nach meinem Arm und lächelte breit in die andere Richtung. Ich

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