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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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über Walters Gesicht, bevor er wieder hinter dem Vorhang verschwand.
    »Ich möchte Ihnen noch etwas zeigen, bevor Sie gehen. Damit Sie ungefähr wissen, welchen Rang Sie in diesem Hause einnehmen.«
    Walter kam mit einem kleinen Kasten zurück. Er öffnete ihn und holte einen Schlüssel heraus. Ich wollte danach greifen, doch er zog ihn blitzschnell zurück. Es war der Schließfachschlüssel.
    »Wir haben uns erlaubt, den Inhalt des Fachs zu überprüfen. Es war leer.«
    Ich hob die Hände. »Vielleicht war schon jemand vor Ihnen dort?«
    Sie rollte zurück. Ihre hellen Augen glitzerten bösartig. »Sie meinen Sigrun? Junger Mann, nichts von dem, was Sie versuchen, wird diese Familie entzweien. Ich bedanke mich für unsere rrreizende Unterhaltung. Leben Sie wohl.«
    Sie legte den Kopf schief und lauschte. Aus einem der hinteren Zimmer klang leise Musik. Eine alte Aufnahme, Lehars Zarewitsch, das Wolgalied … allein, einsam wie immer … Ein Lächeln durchdrang ihre Züge.
    »Richard Tauber.« Dann, als wäre ihr gerade jetzt noch die letzte Perfidie eingefallen, hob sie die Hände. »Manche Juden habe ich sehr geschätzt.«
    Ich fand den Weg hinaus alleine.

30
    »Ausgeschlafen?«
    Marie-Luise musste hinter der Kanzleitür auf mich gelauert haben. Ich hatte sie kaum geöffnet, da wedelte sie schon mit einer Akte unter meiner Nase herum. »Hast du ein Glück, dass ich heute Morgen schon so früh hier war. Du hattest einen Termin!«

    Die Libanon-Connection. Ich drückte mich an ihr vorbei und ging in mein Büro. »Ich habe im Moment andere Sorgen.«
    »Hör ich da richtig?« Marie-Luise folgte mir. »Ich habe dich als Experten für Diebstahlsdelikte empfohlen. Und ich will, dass du meine Empfehlungen nicht einfach in den Wind schreibst.«
    »Ist ja gut«, rief ich. »Ich hatte einen anstrengenden Abend.«
    »Ach«, meinte sie. »Zu viel Tennis gespielt? Oder hat dich das Private derart ausgelaugt? Hör mal zu: Wir sind Partner. Ich erwarte nicht, dass du hundertprozentig bei der Sache bist. Sondern hundertzehnprozentig.«
    Ich warf den Computer an und suchte in Google unter dem Stichwort »Akten NS-Sondergericht«. Es kamen fünfhundert Treffer, in denen es allesamt um Artikel in Zeitschriften und wissenschaftliche Abhandlungen auf unattraktiven Universitätsseiten ging. Es war entmutigend. Alles. Am meisten Marie-Luise, die nicht aufhörte zu zetern.
    »Irgend so ein Verbrecher hat die Scheiben bei meinem Porsche eingeschlagen.« Es hatte mir wehgetan, den Wagen heute Morgen so zu sehen. Mein Porsche war zwar kein Robbenbaby, aber ich liebte ihn heiß und innig.
    »Was?«, fragte sie.
    Ich sah auf die Armbanduhr. »Es ist zwanzig nach zehn. Wenn ich mich sofort auf den Weg mache, liege ich um elf im Bett. Ich schlafe bis drei, dann lasse ich mir einen Filterkaffee servieren und fahre mit meiner Mutter zum Bridge nach Reinickendorf. Zum Abendessen gibt es Aldi-Ravioli. Und soll ich dir was sagen? Ich freue mich darauf. Weil es die ersten Stunden seit Wochen sein werden, in denen niemand an mir rummeckert, mich niemand an die Wand stellt, keiner mich bedroht und erst recht niemand verarscht. Okay?«
    »He, tut mir leid«, sagte sie und kam um den Schreibtisch zu mir herum. »Ich kenn mich mit Autos nicht so gut aus. Ist sonst noch was?«

    »Nein.«
    Ich wollte an ihr vorbei, doch sie hielt mich fest. Sie hielt mich fest! Ich war so verblüfft, dass ich stehen blieb.
    »Sigrun?«, fragte sie.
    »Lass mich.«
    Ich wollte nach Hause. Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren betrachtete ich ein Acht-Quadratmeter-Zimmer mit einem Fleck an der Wand, an dem einmal ein Kim-Wilde-Poster gehangen hatte, als mein Zuhause. Sie ließ ihre Hand sinken, als wäre sie erschrocken darüber, mich berührt zu haben. »Okay, dann geh doch. Heute ja und morgen nein. Ist ja nicht mehr wichtig, dass man zu seinem Wort steht. Schon gar nicht mir gegenüber.«
    Erst jetzt fiel mir auf, dass sie dunkle Ringe unter den Augen hatte. »Und was ist mit dir?«
    »Nichts.«
    Wir standen einen Moment schweigend da.
    »Schmiedgen?«
    Sie biss sich auf die Lippen.
    »Manchmal hilft schon ein guter Kaffee«, sagte ich.
    »Manchmal«, erwiderte sie leise.
    Marie-Luise stellte Wasser auf. Ich holte zwei gespülte Becher, dann setzten wir uns an den Tisch und warteten, bis das Wasser kochte.
    »Er lässt sich nicht scheiden«, sagte sie und füllte Kaffeepulver in die Tassen. »Er sagt, sie ist gerade in einer schweren Krise und dass er ihr das nicht zumuten

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