Das Kleine Buch Der Lebenslust
ist, dann hat man wenigstens die vielen kleinen Glücke gehabt.“
Die vielen kleinen Glücke vermag jeder zu finden. Denn sie begegnen ihm täglich. Er muss sie nur aufpicken. Aber wie ein Huhn muss er sich dem Boden zuwenden. Wenn er in die Luft schaut, wird er übersehen, was sich ihm auf seinem Weg darbietet.
99 Freudengründe
Der Islam kennt 99 Gottesnamen. Der 100. Name für Allah ist ein Geheimnis, das wir Menschen nicht zu lösen vermögen. Martin Walser bezieht sich auf die 99 Gottesnamen, wenn er in einem kurzen Text vom 99. Grund zur Freude spricht. Freude ist für Martin Walser etwas Göttliches. Und wie es 99 Namen für Gott gibt, so gibt es 99 Gründe für die Freude. In der Freude haben wir teil an Gott. Der 99. Grund zu Freude ist für Martin Walser: „Dass mehr wird, was ich mit anderen teile. Dass mich, was ich allein habe, nicht freut. Der Mund des Gastes macht den Wein gut.“
Das Wunderbare ist: Wer das, was ihm wertvoll ist, mit anderen teilt, wird nicht ärmer, sondern reicher. Es ist wie bei der Brotvermehrung, die in der Bibel erzählt wird. Das Brot, das die Jünger verteilen, wird immer mehr. Es nimmt gar nicht ab. Wenn ich etwas für mich allein behalten will, kann ich mich nicht daran freuen. Ich verbrauche viel Energie, um etwas Kostbares für mich zu behalten, sei es Besitz, sei es Wissen, sei es ein schönes Bild. Ich kann mich freuen, wenn ich das Bild alleine anschaue. Aberwenn ich das Bild den Blicken der andern entziehen muss, damit ich es für mich allein habe, ist das mit seelischen Kosten verbunden. Ich werde beim Anschauen immer nur die anderen im Blick haben, vor denen ich es schützen möchte. Wahre Freude will mitgeteilt werden. Das vermehrt sie.
Martin Walser zeigt das in einem schönen Bild: „Der Mund des Gastes macht den Wein gut.“ Wenn ich den Wein mit dem Gast teile, wird er erst richtig gut. Wenn ich ihn allein koste, kann ich ihn nicht so genießen wie mit einem Freund zusammen. Der Genuss des Freundes wird meinen eigenen Genuss vertiefen. Das Lob des Gastes über den guten Wein wird ihn auch für mich noch köstlicher machen.
Einladung
„Lächeln ist die kürzeste Entfernung zwischen Menschen“, sagt Victor Borge. Ein Lächeln bringt Menschen einander näher, die sich vorher noch fremd waren. Wenn ich in ein Geschäft eintrete und die Verkäuferin mich anlächelt, dann entsteht mitten in der Anonymität der Geschäftswelt eine Beziehung auf der menschlichen Ebene. Die Entfremdung ist aufgehoben. Die Distanz ist überbrückt. Natürlich gibt es auch das künstliche Lächeln, das ein Unternehmensberater eintrainiert hat. Doch dieses künstliche Lächeln schafft keine Beziehung. Es bleibt bei dem, der es praktiziert. Ein Kunde kann sehr gut unterscheiden, ob das Lächeln ihm gilt und ihn willkommen heißt, oder ob es nur freundliche Fassade zum Zweck des Kaufanreizes ist. Es gibt ein Lächeln, mit dem ich mir den anderen vom Leib halte, eine kalte Freundlichkeit, die dem anderen signalisiert: Komm mir nicht zu nahe.
Ein Lächeln jedoch, das vom Herzen kommt, schafft sofort Nähe und Einverständnis. Es lädt ein, sich dem andern zu öffnen. Ich fühle mich verstanden und angenommen, ernst genommen. Ich darfsagen, was ich denke. Ich werde nicht beurteilt. Und ein solches Lächeln lädt zum Gespräch ein. Ich bekomme Lust, den andern anzusprechen, mit ihm in Austausch zu kommen.
Mir erzählte ein Mann, den ich begleitet habe, wie gut es ihm getan hat, mit der Verkäuferin in einem kleinen Geschäft ins Gespräch gekommen zu sein. Da war sofort Nähe und Vertrautheit da, aber zugleich Freiheit. Keiner wollte den anderen für sich vereinnahmen. Der Mann hat sich einfach wohl gefühlt. Das war auf dem Hintergrund seiner negativen Erfahrungen in Beziehungen für ihn wie ein Signal, dass er doch nicht so unmöglich ist, wie er es sich selbst oft eingeredet hatte. Er bekam durch eine solche kleine und folgenreiche Geste wieder Mut, auf Menschen zuzugehen und sich an freundlichen Blicken und an einem Lächeln zu erfreuen.
Zu Besuch
„Beeil dich nicht. Bekümmere dich nicht. Du bist hier nur für einen kleinen Besuch. So mach auf jeden Fall halt und riech an den Blumen.“ Walter Hagen inspiriert uns mit diesen Sätzen. Er zeigt, wie wir unser Leben genießen können. Wir sind hier auf Erden nur für einen kleinen Besuch. Unsere Zeit ist begrenzt, so wie wenn wir liebe Freunde besuchen. Aber bei diesem Besuch sollten wir uns nicht beeilen und uns keine Sorgen machen.
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