Das Kleine Buch Der Wahren Liebe
Welt. Im Gegenteil: Hoffnung hat jetzt und hier schon erlösende Kraft. Denn sie befreit mich schon hier von aller Angst und lässt mich daher die Gegenwart und meinen Alltag anders erleben. Ich bin frei, selbst lösend zu wirken und heilend auf andere zuzugehen. Ich selbst bin in der Lage, die Fesseln anderer zu lösen und befreiende Liebe in die Welt hinein zu tragen. Indem ich die Grenze des Todes als Einladung zu einem intensiven Leben hier und jetzt erfahre, kann ich gelassen und dankbar für jeden Augenblick sein.
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Die Frage ist: Was könnten wir als Zeichen unserer Liebe hinterlassen? Das ist nicht moralisch gemeint, so als ob wir besonders viele Akte der Liebe hinterlassen müssten. Aber die Ahnung, dass wir ja von Gott kommen und wieder zu ihm zurückkehren, könnte uns dazu befreien, hier in dieser Welt Spuren einer Liebe zu hinterlassen, die sich verschenkt, einer Liebe, die sich herabbeugt zu den Füßen unserer Brüder und Schwestern, einer Liebe, die sie an ihrer verwundbaren Stelle berührt, um sie dort von Gottes Liebe heilen und verwandeln zu lassen. Wenn wir überlegen, was wir als Vermächtnis den Menschen hinterlassen möchten, was wir mit unserem Leben eigentlich ausdrücken möchten, dann werden wir nicht mehr um unsere Krankheit und unsere Einsamkeit kreisen, dann wird uns das Geheimnis unseres Lebens aufgehen, dass wir endliche Menschen sind, die auf ihrem kurzen Weg in dieser Welt Spuren einer Liebe hinterlassen möchten, die den Menschen nach uns den Weg in neue Dimensionen weisen, in die Dimension der göttlichen Liebe, die schon unser eigenes Leben verwandelt und ihm einen unendlichen Sinn schenkt.
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Aus der Hand Gottes können wir auch durch den Tod nicht fallen. Wenn der Partner vor uns stirbt, wird er uns vom Himmel aus weiter begleiten. Die Liebe wird nicht zerstört, sie wird nur verwandelt. Die Liebe ist stärker als der Tod. Sie wird den Tod überdauern. Und der Tod des Partners wird für uns zur Herausforderung, unser wahres Selbst zu entfalten. Wir sind nicht nur Ehepartner, wir sind auch wir selber, einmalig und einzigartig. Wir dürfen vertrauen, dass wir dann neue Seiten in uns entfalten werden. Und wir dürfen vertrauen: Wir werden uns wieder sehen. Wir werden den Partner nicht für immer verlieren, sondern immer nur auf Zeit.
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Jeder, der stirbt, nimmt etwas von uns mit. Das, was wir mit ihm geteilt haben an Liebe, an Freude, an Zeit, das nimmt er mit. Und er schmückt damit gleichsam die Wohnung, in die wir hinein sterben werden. Wir werden also nicht in das Dunkle und Unbekannte hinein sterben, sondern in eine liebevoll vorbereitete Wohnung, in der wir für immer daheim sein werden.
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Meine Sehnsucht und meine Hoffnung beziehen sich auf eine menschliche Gemeinschaft, in der Gottes Liebe herrscht und nicht der Profit. Sie beziehen sich darauf, dass wir in seiner Herrschaft Freiheit erfahren vom Missbrauch der Macht. Ich hoffe und ersehne, dass das Reich Gottes in jedem Einzelnen ankommt, damit er ganz er selbst werden kann, damit er frei wird von der Herrschaft des eigenen Über-Ichs. Ich hoffe und ersehne, dass dieses Reich in einem neuen Miteinander sichtbar wird. Und dass dieses Reich auch in der Beziehung zwischen Mensch und Kosmos sichtbar wird, in einer Schöpfung, die die Schönheit des Schöpfers widerspiegelt. Meine Sehnsucht vertraut auf eine neue Spiritualität, die die Menschen berührt und mit ihren inneren Quellen in Berührung bringt. Die sie aus dieser inneren Quelle leben lässt, damit sie geben können, ohne sich zu verausgaben, damit sie an dieser neuen Welt arbeiten, ohne zu resignieren und mitten in der Welt etwas vom Geschmack Gottes verbreiten.
Ich sehne mich auch nach einer Sprache, die verbindet, einer Sprache, die aufweckt, einer Sprache, die ein neues Miteinander ermöglicht, einer Sprache, die das Unaussprechliche ausspricht, das Unhörbare hörbar macht. Ich wünsche mir eine Sprache, die Leben weckt und aufrichtet, die ermutigt, klärt und befreit.
Ich hoffe, auf eine Menschengemeinschaft, die einen Raum schafft, in der Gebeugte sich aufrichten, Aussätzige sich annehmen, Gelähmte gehen, Blinde sehen |157| und Erstarrte und Tote wieder aufstehen zum Leben. Und ich glaube, dass in unserer so unerlösten Welt Heil und Erlösung wirksam werden, unsere Wunden geheilt und zu Perlen verwandelt werden und dass Gott unsere Verletzungsgeschichte verwandelt in eine Geschichte des Aufgebrochenwerdens für das Heil.
Ich hoffe
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