Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
Und irgendwie wurde es dann doch wieder der McBacon mit Pommes. Weil er so saftig aussah? Oder weil es überall nach Gebratenem duftete? Tatsache ist: Sie konnten nicht widerstehen. Der Verstand denkt an die Gesundheit und die überflüssigen Pfunde, wird aber gar nicht mehr gefragt, wenn es zum Kauf kommt.
Düfte verführen uns zum Konsumieren – jeden Tag. Sie wecken unseren Appetit, zaubern gute Stimmung oder entführen uns in ferne Kinderzeiten. Wenn wir das Meer riechen, sehen wir plötzlich Bilder von sorglosen Sommerferien vor uns: Vater mit seiner unsäglichen Badehose und Mutter, die sich im Strandkorb sonnt. Und wir spüren das Gefühl, das uns damals begleitete: endlich Ferien, keine Lehrer, für immer frei. »Frische Meeresbrise« heißt dieser Duft in seiner synthetischen Form. Versprüht, um solche Glücksgefühle hervorzurufen und das sehnsuchtsvolle Kind im Kunden anzusprechen. Zum Beispiel im Reisebüro, wo der künftige Urlauber lieber zügig eine Entscheidung für einen Urlaub am Meer fällen soll als allzu kritisch über seinen Kontostand nachzudenken.
Marketingexperten sprechen von »atmosphärischen Reizen«, wenn Frühlingsdüfte helfen, die aktuelle Sommermode zu verkaufen, oder Zimt- und Orangenduft heimelige Weihnachtsstimmung in die Läden zaubern. Einige Hotelketten versuchen, mit dem Geruch von weißem Tee das Heile-Welt-Gefühl zu erzeugen. Schon in der Lobby empfängt den Gast der verführerische Duft und ist damit wichtiger Teil des gezielten Großangriffs auf seine Sinne. Natürlich stimmen auch Möbeldesign und Farben, im Hintergrund erklingt angenehme Musik. Die Manager wissen: Die ersten zehn Minuten sind entscheidend dafür, ob der Gast sich wohlfühlt und gern wiederkommt. Dass der Duft in diesem Falle von einer Maschine in die Luft geblasen wird, stört niemanden.
In Supermärkten heißen solche Maschinen Backautomaten. Sie verströmen den Duft frischer Brötchen und leckerer Kuchen. »Air Design«funktioniert mit Orangenduft beim Obsthändler genauso gut wie mit Cappuccino-Aroma im Café um die Ecke. Brauche ich noch Kaffee? Will ich wirklich noch ein Stück Kuchen essen? Das fragt sich ein Kunde seltener, wenn sein Verstand von verführerischen Düften umnebelt wird, die einzig auf seinen Bauch zielen.
Aber auch wenn es nicht ums Essen geht, wirken Düfte Wunder: Studien haben gezeigt, dass Kunden tatsächlich länger in Geschäften bleiben, die angenehm riechen. Ihre Kaufbereitschaft steigt um 15 Prozent, und sie neigen häufiger zu Spontankäufen. Der Verkäufer wirkt plötzlich kompetenter und das Preis-Leistungs-Verhältnis attraktiver. Da kann es sich für eine Blumenhandlung lohnen, Rosenduft im Verkaufsraum zu versprühen, wenn es am Freitag noch zu viele Rosen gibt, die übers Wochenende zu verwelken drohen. Die Kunden werden automatisch mehr Rosen kaufen, obwohl sie eigentlich mit dem festen Vorsatz in den Laden kamen, ganz andere Blumen zu verschenken.
Der Käufer ahnt meist nichts von den raffinierten Sinnesreizen, denn die Düfte werden so sparsam dosiert, dass zwar die »Wahrnehmungsschwelle« erreicht wird, wie Marketingfachleute sagen, die Düfte aber nicht identifiziert werden können. Erst bei der »Erkennungsschwelle« weiß man, um welchen Duft es sich handelt und bei der »Unterschiedsschwelle« kann man ihn von anderen Düften unterscheiden. Meist braucht man dabei jeweils eine zehnmal höhere Dosis.
Für Duft- und Werbekritiker ist das natürlich pure Manipulation. Zu bunten Werbebildern und lautstarken Sprüchen kommt nun auch noch der Duft. Manchmal ist das glatte Täuschung, wenn zum Beispiel Kunststoffhandtaschen oder -schuhe mit Lederduft besprüht werden. In der Marketingsprache heißt das dann »Simulationsfunktion« eines Duftes. Die meisten Firmen benutzen Düfte aber in erster Linie, um Kunden zu werben, zu halten und ihren eigenen Wiedererkennungswert zu steigern. Die Corporate Identity beschränkt sich längst nicht mehr auf Firmenlogo und Briefpapier, sondern wirkt viel nachhaltiger, wenn alle Sinne angesprochen werden. »Brand Scent«, der Duft der Marke, soll ihren Wert widerspiegeln und den Kunden binden. Wie bei der Modemarke Abercrombie & Fitch, deren teure Jeans und T-Shirts weltweit gleich riechen: wie frisch geduscht mit einem Hauch von Moschus. Und auch beim Fernsehkauf funktioniert das, wenn zum Beispiel die Firma Samsung ihre Geräte seit Langem mit demselben Duft versieht. Diesen typischen Geruch kennt der Käufer dann
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