Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
unterwerfen. Zweimal baden soll auch dem Sonnenkönig Ludwig XIV. gereicht haben – im Leben. Hatten nicht die dekadenten Nachbarn des Römischen Reiches stundenlang in Dampf und warmem Wasser gehockt und sich den Dreck gar mit Metallschabern von den Körpern gekratzt? Und man hatte ja schließlich gesehen, wohin das führt!
Wir Nordeuropäer hatten übrigens bei durchreisenden Amerikanern den Ruf, zwar unsere Häuser und Straßen zu schrubben, es mit der Reinigung unserer Körper aber nicht so genau zu nehmen. Dass die Amerikaner ihre Eindrücke zudem noch niederschrieben, hat womöglich zur nachhaltigen Überzeugung ihrer Landsleute beigetragen, die Deutschen und überhaupt alle Europäer seien etwas schmuddelig, was die persönliche Hygiene angeht.
»Mehr als im Auge oder in der Nase existiert Sauberkeit im Geiste des Betrachters«, schreibt Katherine Ashenburg, die der Geschichte des Waschens ein ganzes Buch gewidmet hat. Die Kultur der Sauberkeit, das belegt die kanadische Autorin mit vielen Beispielen, hängt von religiösen, sozialen und historischen Bedingungen ab. Die Römer liebten es, den halben Tag mit einem wohlriechenden ätherischen Öl im Bad zu verbringen. In Cäsars Armee trugen sogar alle Soldaten den gleichen Duft. Die frühen Christen gingen dagegen äußerst sparsam mit Wasser um. Andere Religionen hatten komplizierte Reinheitsgebote, auch die Juden. Doch Jesus, der Rebell, widersetzte sich ihren rituellen Waschungen. Konnte man die Sünde abwaschen? Nein. Nur Pharisäer versuchten, das Äußere zu reinigen, um von innerer Unreinheit abzulenken. So scheuten auch die Spanier das Wasser ganz bewusst, um sich von den reinlichen Muslimen zu unterscheiden, die ihnen geradezu zwanghaft und ohnehin suspekt erschienen. Erst als die Ritter von den Kreuzzügen zurückkehrten, brachten sie die Freuden der Hamams und der türkischen Badehäuser mit. Deutschland, England, ganz Europa badete im warmen Wasser und gönnte sich gläserne Spiegel und seidene Stoffe nach arabischer Art. Ein dramatisches Ereignis machte alle Freuden zunichte: Die Pest brach aus. Bis Mitte des 14. Jahrhunderts hatte der Schwarze Tod fünfundzwanzig Millionen Europäer dahingerafft und gleichzeitig alle Badekultur beendet. Wasser, zumal warmes Wasser, wurde zum erklärten Feind, weil es die Poren öffnete und so die verpestete Luft angeblich in den Körper eindringen konnte. Als Gegenmittel verwendete man wohlriechende Essenzen wie Lavendel, um die Seuche zu bekämpfen.
Erst allmählich kehrte das Wasser zurück. Mediziner entdeckten die Hygiene, Waschen wurde zum Zeichen von Zivilisation. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten in Deutschland nur zehn Prozent aller Wohnungen eine Badewanne, später wurden alle Wohnungen mit Badezimmern ausgestattet. Die größten Sauberkeits-Fans sind die Amerikaner. Zwischen 1994 und 2004 verdreifachte sich die Größe amerikanischer Badezimmer. Unnötig zu sagen, dass auch eine Amerikanerin den Deo-Roller erfand: Helen Barnett Diserens ließ sich dazu Ende der vierziger Jahre vom eben erst entwickelten Kugelschreiber inspirieren.
Napoleon liebte es ungewaschen
Napoleon Bonaparte bevorzugte im Allgemeinen das gerade in Mode gekommene Eau de Cologne 4711, von dessen frischem Duft er sich Linderung für sein Magenleiden versprach. Er soll monatlich mehr als sechzig Liter davon verbraucht haben und sprühte nicht nur sich selbst damit ein, sondern auch seine Zimmer und sogar sein Pferd. Doch wenn er nach einem anstrengenden Feldzug in die Heimat zurückkehrte, freute er sich auf eine ganz persönliche Note: den Körpergeruch seiner Frau Joséphine. Davon durfte es dann ruhig etwas mehr sein. »Wasche dich nicht, ich komme!« lautet die legendäre Botschaft, mit der er sich bei seiner Gattin anzukündigen beliebte. Und sie, eine Meisterin der olfaktorischen Verführungskünste, unterstrich das vermutlich intensive Dufterlebnis noch mit einem Hauch von Moschus.
Heutzutage bemühen wir uns, Körperdüfte unter allen Umständen zu vermeiden, denn spätestens seit der Erfindung von Seife und Deo gelten sie als anrüchig und unzivilisiert. Tiere dürfen stinken und sich nach Herzenslust gegenseitig beschnüffeln. Menschen müssen nach Parfum duften und dürfen höchstens vorsichtig Küsschen austauschen, um den Geruch des Gegenübers wahrzunehmen. Ihre animalische Vergangenheit mit all ihren Geruchsbotschaften behalten sie lieber für sich und überlassen es Schriftstellern, von dunklen Gerüchen und
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