Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
ausgeschüttet, die für eine minder starke Durchblutung der Haut sorgen. Der Mensch wird blass, seine Haut wird kühl, weil er seine Blutreserven womöglich für die Muskeln und inneren Organe braucht. Ein Programm aus den Anfangsgründen der Menschheit und doch begegnet es uns jeden Tag.
Dass auch Angstschweiß riecht, und zwar ganz anders als Spaß- oder Anstrengungsschweiß, haben wissenschaftliche Versuche mehrfach bewiesen, unter anderem die Experimente der Psychologin Denise Chen und ihrer Kolleginnen. Sie luden eine Gruppe von Männern und Frauen zu einem Kinoabend an. Auf dem Programm standen Komödien und Horrorstreifen. Für beide Filme gaben die Forscherinnen Stoffstückchen aus, die die Gäste unter den Achseln tragen sollten. Anschließend wurde eine zweite Gruppe von Probanden gebeten, die Duftproben der Marken »Spaß« und »Angst« zu unterscheiden. Das Ergebnis überraschte selbst die Forscher: Mehr als drei Viertel aller Frauen und die Hälfte der Männer identifizierten eindeutig den Angstschweiß von Männern. Interessanterweise konnten Männer weder den Spaßgeruch anderer Männer noch den Angstgeruch der Frauen wahrnehmen. Bei Stern TV wurde vor Kurzem ein Show-Experiment mit ähnlichem Ergebnis durchgeführt: Zehn Paare traten auf, von denen die Frauen im Studio blieben, während fünf der Männer Bungee-Jumpen gingen, die fünf anderen derweil eine geruchsneutrale Bar besuchten. Als alle zurückkamen, sollten die Frauen an den T-Shirts erriechen, wo ihre Männer gewesen waren. Keine einzige irrte sich, alle konnten sagen, in welchen Shirts die Angst vor dem Abgrund steckte.
Die chemische Mischung des Angstschweißes ist bekannt, die Forscher wissen nur nicht, welcher Stoff genau für seine vielfältigen Wirkungen verantwortlich ist. Angstschweiß fördert die Konzentration und die Aufmerksamkeit, selbst wenn wir ihn bewusst gar nicht wahrnehmen. Dieses Phänomen bestätigen die Studien der Psychologin Bettina Pause von der Universität Düsseldorf. Bei ihrer Untersuchung hatte sie den Schweiß von Studenten unmittelbar vor einer Prüfung gesammelt und beobachtet, was im Gehirn von Menschen passiert, die solchen Schweiß riechen. Sie stellte fest, dass dabei auch Areale aktiviert wurden, die für die Verarbeitung von sozialen und emotionalen Signalen zuständig sind. Was nämlich niemand für möglich gehalten hätte: Angstschweiß wirkt auf andere keineswegs unsympathisch. Er kann sogar Mitgefühl und Empathie hervorrufen, denn vermutlich wird durch ihn das Gefühl der Anspannung und Angst so schnell in einer Gruppe verbreitet, dass sich alle Mitglieder für den Notfall rüsten und rechtzeitig flüchten können.
Wir mögen den Ängstlichen, weil er unser Leben schützt? Es klingt wie eine Filmidee für eine Komödie: Der schwitzende Angsthase als Retter und Held. In der Hauptrolle muss man sich zweifellos einen Briefträger vorstellen, der in seiner Jugend von einem Hund gebissen wurde und jeden Tag voller Bangen seine Runden dreht. Ein echt sympathischer Kerl …
Riecht mein Hund,
wie es mir geht?
Der Hund ist eine absolute Topnase – verglichen mit dem Menschen. Während wir nur dreihundertfünfzig verschiedene Riechrezeptoren haben, besitzt der Hund ungefähr achthundert. Nur Ratten und Mäuse haben noch mehr, nämlich etwa Tausend (nicht umsonst wird die Ratte im Disney-Film Ratatouille als großer Feinschmecker gefeiert). Dazu kommt, dass der Mensch gerade mal zwanzig Millionen Riechzellen besitzt, manche Hunderasse dagegen zweihundert bis dreihundert Millionen. Aber auch ein Hund kann nicht von Geburt an alle Gerüche erkennen und unterscheiden, sondern muss seinen Geruchssinn erst trainieren. Durch eine gezielte Schulung kann er zum Beispiel lernen, Sprengstoff oder Krankheiten zu erschnuppern. Natürlich riecht er Freude, Stress und Angst. Man kann also tatsächlich davon ausgehen, dass mein Hund riecht, wie ich mich fühle – und wie es anderen geht. Wobei der Angstgeruch des Briefträgers bei Hunden ganz unterschiedliche Reaktionen auslösen kann. Manche knurren und bellen, um den Fremden, der aufgrund seiner Angst unterlegen scheint, aus dem eigenen Revier zu vertreiben. Andere fühlen sich durch den Geruch provoziert und beißen, um das Gegenüber zu dominieren. Hektische Bewegungen und eine laute Stimme können in so einem Fall als eine Bedrohung wahrgenommen werden, gegen die sich der Hund dann zur Wehr setzt. Selbstbewusste Hunde reagieren gelassener und ignorieren
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