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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Wohnhauses von Ämilia Gerwald erstreckte.
    Sebastian betete in der Tat. Und zwar darum, dass Dominik Felten nicht noch im letzten Augenblick anderen Sinnes geworden war und von dem Tausch plötzlich nichts wissen wollte. Er flehte den Allmächtigen mit stummer Inbrunst an, dass der Stallbursche der enormen Verlockung von zwei Goldstücken nicht widerstehen werde.
    Lauretia hatte ihm die Goldstücke gezeigt, ihn zur Prüfung ihres Goldgehaltes sogar auf die Münzen beißen lassen und ihm hoch und heilig versichert, dass er das Gold auch wahrhaftig von einem Bettelmönch erhalten werde, der am unteren Ende der Lehmgrubengasse vor der Taverne Z um furchtlosen Fährmann auf ihn warten werde. Sie hatte ihm sogar schon drei Silberstücke als Beweis dafür ausgehändigt, dass er ihr vertrauen könne und keine Hinterlist zu befürchten habe.
    Das Blut pochte Sebastian in den Ohren, und die Zeit schien dahinzurasen, während er voller Bangen darauf wartete, dass der Stallbursche nun endlich in der Durchfahrt erschien und wie verabredet die Lehmgrubengasse zur Taverne hinuntereilte.
    Wo blieb er nur? Und falls er es sich doch noch anders überlegt hatte, sollte Lauretia bloß nicht versuchen, ihn umzustimmen, sondern ihren Plan für verloren geben und sich so schnell wie möglich in Sicherheit bringen! Er fürchtete, sie könne aus Liebe zu ihm zu viel Mut beweisen wollen und dadurch ihr Leben verwirken.
    Fast wallte Panik in ihm auf, als sein Blick zur Straßenecke hinüberging, wo die kurze Zufahrt von der Innbrücke auf den Kirchplatz stieß und er die von den vier prächtigen Schimmeln gezogene Kutsche des Domherrn in einem Gedränge aus heimwärts strebenden Bauernwagen, Handkarren ziehenden
Händlern und schwere Körbe tragenden Frauen auftauchen sah.
    Im selben Moment registrierte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung in der Toreinfahrt der jungen Kaufmannswitwe. Sein Kopf ruckte sofort herum, und seiner Kehle entfuhr ein nur mühsam erstickter Laut unsäglicher Erlösung, als er sah, wer sich da zeigte.
    Es war die hagere, abgerissene Gestalt von Dominik Felten! Der Stallbursche drückte sich wie ein Dieb in der Nacht mit einem Lumpenbündel unter dem Arm um die Torecke und beeilte sich, hinunter zur Taverne zu kommen, um von Bruder Scriptoris den versprochenen Lohn einzufordern.
    »Dem Herrn sei Dank!«, murmelte Sebastian und entfernte sich nun ein gutes Stück vom Haus der Ämilia Gerwald, um auch jeder noch so geringen Gefahr, von Jodok auf dem Kutschbock erkannt zu werden, buchstäblich aus dem Weg zu gehen. Erst als er gute vierzig Schritte gezählt hatte und zum Laden eines Eisenwarenhändlers gekommen war, der vor seinem Geschäft große Holztruhen mit gusseisernen Kesseln, Pfannen und Feuereisen aufgestellt hatte, blieb er stehen und tat so, als würde er das Angebot in den Kisten einer interessierten Prüfung unterziehen.
    In Wirklichkeit galt sein Augenmerk auch weiterhin dem Haus der Gerwald. Die Kutsche des Domherrn hielt gerade vor dem Eingang, dessen breite Tür als Zeichen des Wohlstands seiner Bewohner mit kunstvoll geschnitzten Blumenranken verziert sowie mit einem bronzenen Türklopfer versehen war.
    Sebastian sah, wie Tassilo von Wittgenstein aus der Kutsche stieg und die drei Stufen zur Haustür hochschritt, die ihm geöffnet wurde, ohne dass er erst den Türklopfer zu betätigen brauchte. Die Tür hatte sich noch nicht ganz hinter dem Kanoniker
geschlossen, als Jodok das Gespann in einem weiten Bogen und mit bewundernswertem Augenmaß in die Toreinfahrt führte. Auf dem Trittbrett an der Rückseite der Kutsche standen die beiden anderen Dienstmänner Baldus und Rupert, ganz wie Lauretia ihnen vor Tagen berichtet hatte, und hielten sich an den Griffen unterhalb der Dachkante fest.
    »He, wo steckst du fauler Hund?«, rief Jodok verdrossen in die Einfahrt. »Na los, beweg dich! Es gibt Arbeit! Oder glaubst du vielleicht...« Das Weitere drang nicht mehr bis zu Sebastian.
    Nun begann die lange, qualvolle Zeit des Wartens und Hoffens, dass die Schergen des Domherrn Lauretia auf den Leim gingen – und dass sich die Tinktur, die Burkhard Felberstätt ihnen von Bruder Eusebius aus dem Kloster mitgebracht hatte, auch als so wirksam erwies, wie Bruder Scriptoris Lauretia und ihm versichert hatte!

7
    Fast ausgestorben lag der Kirchplatz vor ihnen. Längst waren die letzten Buden und Stände abgebaut und hatte der letzte Bauer den Markt mit seinem Gefährt verlassen. Die im Westen schon weit

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