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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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herabgesunkene Sonne verlor spürbar an Kraft und ließ die Schatten, die die hohen Bürgerhäuser auf dieser Seite des Platzes warfen, immer länger und dunkler werden.
    Sebastian und Bruder Scriptoris hockten, erfüllt von nervöser Unruhe, vor dem Portal der Kirche auf der obersten Stufe. Von hier aus hatten sie einen ungehinderten Blick quer über
den Platz auf das Wohnhaus von Ämilia Gerwald und die Toreinfahrt.
    Am liebsten hätte sich Sebastian die ganze Zeit drüben vor dem Durchgang aufgehalten, um Lauretia so nahe wie möglich zu sein und ihr im Notfall unverzüglich zu Hilfe eilen zu können. Aber dort herumzulungern wäre sogar in der Kluft der Bettelmönche töricht gewesen und hätte den Argwohn eines Stadtdieners wecken können. Und deshalb hatten sie die Ecke an der Lehmgrubengasse wie auch den Kirchplatz eine gute Stunde lang tunlichst gemieden.
    Sie waren kreuz und quer durch die nicht sehr weitläufige Innstadt gezogen, hatten sich für eine Weile hinter den letzten Häusern hinunter ans Ufer der Donau begeben, von dort zur trutzigen Festung Oberhaus hoch gestarrt, die sich jenseits der Domstadt auf dem Sankt Georgsberg mit der steinernen Arroganz herzoglicher Macht erhob, und waren erst dann wieder mit erzwungener Gemächlichkeit zum Kirchplatz zurückgekehrt. Auf dem Weg dorthin hatten sie sich einen Laib Brot gekauft und gaben sich nun den Anschein, hier auf den Kirchenstufen ihr karges Abendmahl zu sich zu nehmen und ihren müden Füßen eine Weile Ruhe zu gönnen.
    Doch Sebastian bekam kaum einen Bissen hinunter, so sehr sorgte er sich um Lauretia, und was wohl jetzt dort hinten in der Stallung der Kaufmannswitwe vor sich ging.
    »Und was ist, wenn die Tinktur von Bruder Eusebius nun doch nicht die betäubende Wirkung hat, die Ihr Euch davon versprochen habt?«, fragte er und würgte mühsam den Brotbrei in seinem Mund hinunter. »Jodok und seine Spießgesellen sollen doch wüste Zecher sein, die bestimmt eine Menge vertragen. So leicht kippen die nicht aus den Stiefeln.«
    »Den mit der Tinktur vermischten Branntwein, den Lauretia ihnen vorsetzt, vertragen sie mit Sicherheit nicht«, versuchte
der Mönch ihn zu beruhigen. »Laudanum, dieser konzentrierte Saft von Mohnkapseln, wirkt schon in sparsamer Dosierung betäubend. Und was wir ihnen da angerührt haben, ist nun wirklich alles andere als eine leicht bekömmliche Verdünnung. Und in Verbindung mit solch schwerem Branntwein potenziert sich die einschläfernde Wirkung noch. Nein, auch die standfestesten Zecher werden sich nach so einem tückischen Trunk nicht mehr lange auf den Beinen halten können.«
    »Und warum hat Lauretia uns noch immer nicht das vereinbarte Zeichen gegeben, dass die List gelungen ist und die Burschen außer Gefecht gesetzt sind?«, wollte Sebastian, von Sorge gequält, wissen.
    »Weil das Laudanum auch in dieser Stärke nun mal nicht so unvermittelt wirkt wie ein Keulenschlag auf den Hinterkopf«, antwortete Bruder Scriptoris geduldig. »Es muss erst einmal in den Körper wandern, sich überall ausbreiten und seine verborgene Kraft entfalten. Sie werden anfangs nur eine bleierne Müdigkeit verspüren und glauben, dem mit einem kleinen Nickerchen beikommen zu können und danach schon wieder flink auf den Beinen zu sein, wenn es Zeit ist, sich für die Rückfahrt ihres Herrn bereitzuhalten. Aber wenn ihnen erst einmal die Augen zugefallen sind, wird man sie weder mit Kanonenschlägen noch mit Stockhieben aus der tiefen Betäubung rei ßen können, die sie umfangen hält. Also ruhig Blut, Sebastian. Es ist gerade erst eine gute Stunde vergangen, und dass Lauretia sich bislang nicht gezeigt und auch niemand Alarm geschlagen hat, ist ein gutes Zeichen.«
    »Gebe Gott, dass es so ist, wie Ihr sagt!« »Es wird so und nicht anders sein!«, versicherte der Mönch mit fester Zuversicht.
    »Dennoch hoffe ich inständig, dass es bald so weit ist!«, murmelte Sebastian mit Blick auf die tief stehende Sonne. »Es wird
einige Zeit kosten, um ihnen die Kleidung abzunehmen, sie sorgsam zu fesseln und zu knebeln und uns ihre Sachen anzuziehen. Und dann müssen wir auch noch nach Passau hinüber und quer durch die Stadt aufs andere Donauufer, bevor es Nacht wird und sich die Tore schließen.«
    »Du vergisst, dass wir nicht mit einem klobigen Fuhrwerk, sondern mit der herrschaftlichen Kutsche eines mächtigen Domherrn vor dem Tor stehen, wenn denn dieser Fall überhaupt eintrifft«, erwiderte Bruder Scriptoris. »Und kein

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