Das Kloster der Ketzer
standhaft in seinem Glauben und weigerte sich, den verlangten Widerruf zu leisten und Luthers Lehre öffentlich abzuschwören. Damit war sein Schicksal besiegelt.
Unter Vorsitz von Herzog Ernst wurde er am 18. Juli 1527 im Passauer Domhof vor das Gericht geführt, das sich aus den Spitzen der Diözese zusammensetzte. Nachdem er erneut den Widerruf abgelehnt hatte, wurde er rituell seiner priesterlichen
Würde entkleidet, als Ketzer verdammt und zur Vollstreckung des Urteils der weltlichen Gewalt übergeben. Man verbrachte ihn nach Schärding, einer kleinen Stadt den Inn flussaufwärts. Dort erhielt der zuständige Landrichter Christoph Frennckhinger den Auftrag, die Hinrichtung von Leonhard Kaiser auf dem Scheiterhaufen vorzunehmen. Er sollte sich jedoch bemühen, dabei möglichst wenig Aufsehen zu erregen. Der Landrichter wählte als Hinrichtungsstätte deshalb keinen Ort, der leicht zugänglich war und den bei Hinrichtungen üblichen Volksauflauf begünstigt hätte, sondern eine kleine Kiesinsel im Fluss. Dennoch fand sich am grauen, regnerischen Morgen des 16. August am Ufer eine große Menschenmenge ein.
Leonhard Kaiser wurde auf den mit Stroh- und Reisigbündeln versetzten Scheiterhaufen geführt, an den Pfahl gebunden und dann dem Feuertod übergeben. Tapfer und glaubensfest bis zuletzt sowie mit den Worten »Komm, heiliger Geist!« nahm er den Tod auf dem Scheiterhaufen auf sich. Als das Feuer zusammenfiel, zerrten die Amtsknechte seinen Körper, von dem nicht mehr viel übrig war, aus der Glut, schlugen ihn in Stücke und verbrannten dann auch diese noch, damit von ihm nichts als Asche übrig blieb.
Leonhard Kaiser traf das große Unglück, dass sein Prozess und seine Hinrichtung in eine Zeit fielen, in der die Verfolgung von Ketzern in ein neues, blutiges Stadium getreten war. Überall brannten die Scheiterhaufen und floss das Blut, vor allem das der Wiedertäufer. Wie der »Ketzerjäger« Johannes Eck im November 1527 höchst befriedigt in einem Brief schrieb, folgten so viele Hinrichtungen aufeinander, dass dem Herzog die Unterzeichnung von Todesurteilen fast zur täglichen Gewohnheit geworden war.
Der historischen Gerechtigkeit halber muss jedoch hinzugefügt werden, dass der Ketzertod auf dem Scheiterhaufen
nicht nur von der römisch-katholischen Kirche praktiziert wurde, sondern auch in evangelischen Ländern keine Seltenheit war. Grausamkeiten und Intoleranz waren leider beiden Konfessionen zu Eigen und wurden als angemessenes Mittel betrachtet, um dem Anspruch, sich allein im Besitz der selig machenden Wahrheit zu befinden, gegenüber Abweichlern mit Gewalt Geltung zu verschaffen.
Das Gedächtnis an den Märtyrer Leonhard Kaiser, den Blutzeugen für den lutherischen Glauben, wurde über die Jahrhunderte hinweg in der evangelischen Kirche in hohen Ehren gehalten. Dagegen verteidigte noch zum 400. Gedenktag die römisch-katholische Kirche seine Hinrichtung als »zeitbedingt«. Wenn auf dieser Seite die Einsicht in das begangene Unrecht an Leonhard Kaiser und so vielen anderen Opfern der Verfolgung im Namen Christi auch spät kam, so stellte sie sich letztlich dann doch noch ein. Im Zuge des ökumenischen Aufbruchs, zu dem das segensreiche II. Vatikanische Konzil (1962-1965) den entscheidenden Anstoß gab, und durch die Vergebungsbitte von Papst Johannes Paul II. in Hinsicht auf die Sünden der Kirche am 12. März 2000 wandelte sich die Bewertung katholischer Theologen und Historiker im Fall des Leonhard Kaiser grundlegend. Bei dieser Aussöhnung mit der gemeinsamen Geschichte hat sich insbesondere Bischof Dr. Antonius Hofmann verdient gemacht.
Über Martin Luthers mutigen reformatorischen Aufbruch, seinen Kampf gegen Rom, die Gründung einer evangelischen Kirche und seine zahlreichen Schriften, deren wichtigstes Werk wohl die erste Übersetzung der Bibel in die deutsche Volkssprache ist (es gab vorher schon fast ein Dutzend andere deutsche Übertragungen, deren zahlreiche Mängel jedoch verhinderten, dass sie in ihrer Zeit große Verbreitung fanden), über diese außergewöhnliche Lebensleistung sind aus jedem möglichen
Blickpunkt mittlerweile ganze Bibliotheken von Büchern geschrieben worden. Wer heute zu einem abschließenden Urteil über Martin Luther und seinen Lebensweg kommen will, dem fällt es nicht leicht, die enormen Leistungen und Verdienste dieses außergewöhnlichen Mannes im Verhältnis zu seinen Verirrungen und Fehlern zu gewichten. Auch heute noch trifft wohl zu, was Helmut
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