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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Sogar das vergleichsweise kurze Stundengebet zur Sext und zur Non kam ihm endlos vor.
    Schließlich aber rief die Klosterglocke dann doch zur Vesper
in die Klosterkirche. Diesmal wartete er ungeduldig darauf, dass die letzten Töne des Magnificat im hohen Kirchenschiff verklangen, dabei hatte ihn gerade dieser Chorgesang der Mönche zusammen mit dem Salve, Regina , das am Ende der Komplet gesungen wurde, bisher stets jedes Mal tief berührt.
    Nach der Vesper folgte er den Mönchen, die mit ihren langen Kukullen 21 bekleidet waren und in Zweierreihen einherschritten, als Letzter und mit respektvollem Abstand durch den dämmrigen Kreuzgang 22 zum Refektorium.
    Plötzlich blieben die beiden letzten Mönche vor ihm in dem hohen und tiefen Rundbogen stehen, durch den man vom Kreuzgang in den Speisesaal gelangte. Auch er hielt unwillkürlich im Schritt inne, weil er sie miteinander reden hörte. Und da wollte er nicht auf einmal in ihrem Rücken auftauchen, zumal doch in diesem Bereich das Gebot des Schweigens galt. Und schon gar nicht wollte er derjenige sein, der sie bei diesem groben Verstoß im Kreuzgang ertappte und beschämte, denn das könnte sie gegen ihn einnehmen.
    Abwartend blieb er im Dunkel der inneren Wand stehen. Er erkannte die Mönche an ihren Stimmen. Es handelte sich um Eusebius, den Kräuterbruder, und Bruder Vitus, den einflussreichen Klostercellerar.
    Im nächsten Moment hörte er ganz deutlich, wie der hö
ckernasige Cellerar zu dem Kräuterbruder sagte: »Dass seine Seligkeit morgen schon wieder die Geschäfte übernehmen will, ist viel zu früh, lasst Euch das gesagt sein! … Nein, wartet! Das müsst Ihr ihm ausreden! Auch solltet Ihr unseren ehrwürdigen Vater Abt noch einmal zur Ader lassen, damit er die letzten faulen Säfte aus dem Leib bekommt, sonst hat er schon bald einen Rückfall, von dem er sich garantiert nicht mehr erholen wird!«
    »Seid Ihr noch bei Sinnen?«, kam es gedämpft, aber unüberhörbar erschrocken von Bruder Eusebius zurück. »Wollt Ihr, dass ich den Vater Abt umbringe? Ein Adererlass wäre sein sicherer Tod!«
    »Aber jeder Medicus sagt doch, dass...«, setzte Bruder Vitus zu einem Einwand an.
    »Nein, ich will nichts mehr davon hören!«, fiel ihm Bruder Eusebius ins Wort. »Er hat sich von der Krankheit gut erholt, soweit man das bei einem Mann seines Alters sagen kann, und ich werde mich hüten, so einen irrwitzigen Vorschlag auch nur in Erwägung zu ziehen! Zudem ist dies wirklich nicht der rechte Ort, um derlei Dinge zu bereden!« Und damit ließ er den Cellerar stehen.
    Sebastian meinte zu hören, wie Bruder Vitus einen unterdrückten Fluch ausstieß, bevor er dem Infirmarius ins Refektorium folgte. Aber er konnte sich das auch nur eingebildet haben.
    Während der anschließenden Mahlzeit beobachtete er den Cellerar. Der saß mit verschlossener Miene neben dem leeren Stuhl des Abtes und zeigte nur wenig Appetit, füllte sich aber mehrmals den Becher mit Wein. Und er erinnerte sich, was ihm Pachomius in den ersten Tagen über Bruder Vitus und den Prior erzählt hatte, nämlich dass sich beide große Hoffnungen machten, hier der nächste Abt zu werden – und dass
auch der Novizenmeister gut im Rennen um die Gunst der Mitbrüder lag. Aber schon bald verdrängten die Gedanken an Lauretia diese Überlegungen. Wenn es doch bloß schon Nacht wäre!

9
    Nach der Komplet wurde seine Geduld noch einmal auf eine harte Probe gestellt, musste er doch die Stunden bis zu ihrem Treffen in seiner Kammer und ohne jede Ablenkung verbringen. Er hätte sich die Zeit mit dem vorgeschriebenen Studium der Bibel und der Regel des heiligen Benedikt vertreiben können, aber dafür fehlte ihm die innere Ruhe.
    Dann war endlich die so lang herbeigesehnte Stunde ihres Treffens gekommen!
    Als Sebastian vor die Tür trat, den tiefen Schatten des Wirtschaftstraktes zu seiner Linken suchte und dabei noch einmal nach rechts in Richtung des Konventsgebäudes blickte, glaubte er einen Moment lang, aus einem der Fenster der Druckwerkstatt einen schwachen Lichtschimmer hinaus in die Dunkelheit dringen zu sehen.
    Aber sogleich sagte er sich, dass das unmöglich war. Die schweren Holzläden waren ja vor die Fenster geklappt und von außen mit den handbreiten Eisenriegeln verschlossen. Und wenn Bruder Scriptoris sich zu dieser späten Stunde in die Werkstatt begeben hätte, wäre ihm oben in seiner Kammer ohne jeden Zweifel ans Ohr gedrungen, wie er die schwere Tür aufgeschlossen hatte. Und als er noch

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