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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M Schroeder
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Ingolstadt hat eine Unmenge Schriften gegen Luthers ketzerische Thesen verfasst und hört gottlob nicht auf, sie mit seiner Feder zu bekämpfen.«
    Bruder Scriptoris zeigte jedoch nicht die geringste Neigung, eine Zusammenstellung der wichtigsten Anti-Luther-Schreiben des Johannes Eck zu einem Buch zusammenzustellen und zu drucken, wie der Prior es von ihm verlangte.
    »Ein solches Unternehmen macht weder vom kaufmännischen Standpunkt noch aus der Sicht kirchlicher Belehrung einen Sinn!«, erklärte er. »Von Eck kursieren schon mehr als genug gedruckte Flugschriften im Land. Für eine weitere Veröffentlichung in Form eines teuren Buches wird sich kein Markt finden lassen.«
    »Das sehe ich anders!«, widersprach der Prior und sein Gesicht nahm einen verkniffenen Ausdruck an.
    »Das steht Euch frei, Bruder Sulpicius«, entgegnete der Novizenmeister ungerührt. »Zudem pflegt der ehrenwerte Johannes Eck, bei aller Anerkennung für seinen unermüdlichen Einsatz gegen die schädlichen lutherischen Auswüchse, bedauerlicherweise einen nicht gerade lesenswerten Schreibstil!«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«, fragte Bruder Sulpicius erbost, als hätte ihn sein Mitbruder persönlich beleidigt.
    »Nur das, was unter Gelehrten wohl ganz unstrittig ist«, antwortete der Novizenmeister gelassen. »Nämlich dass er nicht gerade mit schriftstellerischem Talent gesegnet ist, um es freundlich auszudrücken. Eck schreibt zu trocken und zu lehrhaft,
ganz der ewige Lehrmeister, der seine innere Trockenheit und Saftlosigkeit nicht eine Seite lang verbergen kann. Nie gelingt ihm ein zündendes Wort. Zudem bleiben seine Argumente auf dem Papier erschütternd schwach, die theologischen Begründungen dürftig, um nicht zu sagen armselig. Kein Wunder also, dass die meisten seiner Schriften nicht gelesen werden und unverkauft bleiben. Und da sollen wir ein kleines Vermögen hinterherschmeißen, um ein weiteres unverkäufliches Buch auf den Markt zu bringen? Ich glaube nicht, dass unser ehrwürdiger Vater Abt dafür Verständnis haben wird. Ganz davon abgesehen, dass ich nicht gewillt bin, die Pamphlete eines zwar ehrenwerten Kämpfers für die Verteidigung der Kirche, aber miserablen Streiters mit der Feder zu drucken!«
    Der Prior schnappte vernehmlich nach Luft. »Ihr wisst nicht, was Ihr da sagt!«, empörte er sich. »Das... das grenzt ja schon fast an Blasphemie!«
    Bruder Scriptoris zeigte sich von dem Vorwurf unbeeindruckt. »Da übertreibt Ihr in Eurer verständlichen Enttäuschung doch ein wenig, wie Ihr bei ruhiger Betrachtung sicherlich selbst feststellen werdet«, erwiderte er. »Man muss nicht gleich die Kuh schlachten, nur weil der unfähige Stallbursche die Milch hat sauer werden lassen.«
    Sebastian musste sich beherrschen, um bei diesem spöttischen Vergleich nicht belustigt loszuprusten.
    Der Prior bemühte sich, seine Fassung zu wahren. »Ob Doktor Johannes Eck wirklich einen nicht ganz so griffigen Schreibstil pflegt oder nicht, mag einmal dahingestellt sein. Aber die Besorgnis erregenden Ereignisse der letzten Zeit sprechen dafür, dass eine größere Verbreitung seiner Schriften dringender denn je ist! Denkt nur an diese Wiedertäufer, die sogar in unserer Stadt Anhänger gefunden haben. Diese Ketzer sind wie übelster Schimmelpilz, dem man früh zu Leibe
rücken muss, wenn man das Mauerwerk schützen will. Oder habt Ihr nicht gehört, dass einem dieser Ungläubigen gerade der Prozess gemacht wird und er wohl schon in den nächsten Wochen auf dem Richtplatz vor den Scharfrichter treten wird?«
    Erschrocken fuhr Sebastian zusammen. Man rechnete schon fest damit, dass einer dieser Wiedertäufer zum Tode verurteilt werden würde?
    Der Novizenmeister gab einen schweren Seufzer von sich. »Ja, ich habe davon gehört. Nur glaube ich nicht daran, dass der Scheiterhaufen oder das Schwert unseres Scharfrichters Hubertus Haberstroh irgendwelchen Irrlehren Einhalt gebieten können«, sagte er nachdenklich.
    Der Prior ging erst gar nicht auf den Einwand ein. »Und diese Wiedertäufer sind nicht die einzigen Nattern, die über den Acker des Herrn kriechen und ihr lutherisches Gift verspritzen!«, fuhr er erregt fort. »Denkt nur an diesen Seelenverführer namens Leonhard Kaiser, der es gewagt hat, sich hier wieder blicken zu lassen. Und nicht ein einziges Zeichen von Reue ob seiner ketzerischen Lehren soll er zeigen! Dem Himmel sei Dank, dass er im Kerker einsitzt und man auch ihm in den nächsten Wochen den Prozess machen wird.

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