Das Kloster (German Edition)
Kreuzes, das Zeichen der Erlösung,« sagte der Mönch, »entwaffnet alle bösen Geister.«
»Das bloße Wort,« erwiderte der immer kampfbereite Warden, »ist kein Beweis! Wo steht geschrieben, daß dergleichen leeren Zeichen und Gebärden solche Kräfte, wie Du behauptest, innewohnen?«
»Ich wollte vordem mit Dir disputieren,« antwortete der Mönch, »aber Dein Trotz lehnte es ab. Jetzt bin ich nicht mehr dazu willens.«
»Und sollten es die letzten Worte sein, die über meine Lippen dringen,« versetzte der Reformator, »und würden sie gesprochen auf dem Scheiterhaufen, halb erstickt vom Rauche der Flammen, so würde ich doch mit meinem letzten Hauche zeugen gegen Roms abergläubische Erfindungen!«
Nur mit Mühe unterdrückte der Unterprior die Antwort, die ihm auf den Lippen schwebte, und sagte zu Edward, er solle seine Mutter auf der Stelle in Kenntnis setzen, daß sein Bruder noch lebe.
»Ich habs Euch doch schon vor zwei Stunden gesagt,« bemerkte Christie von Clinthill, »aber mir wolltet Ihr nicht glauben. Wie es scheint, verdients die Aussage solch alten Graukopfs besser? und dabei reite ich doch niemals aus, ohne mein Paternoster herzusagen.«
»Führt den Gefangenen ab,« antwortete der Mönch, »und achtet darauf, daß er nicht entweiche. Allein füget ihm kein Leid zu! Bei Eurem Leben!«
Kaum sah sich der Unterprior mit Edward, der das Gemach noch immer nicht verlassen hatte, allein, so fragte er: »Was ist Dir widerfahren, Edward, daß Deine Augen funkeln, Deine Wangen bald rot, bald blaß sich färben? daß Du Dich weigerst, Deiner Mutter die frohe Kunde zu bringen? So geh doch und sage es ihr!«
»Ich muß ihr, wenn ich das eine melden, jetzt auch das andre melden, daß, wenn sie einen Sohn wiedergewonnen, den andern dafür verliert!«
»Was sollen solche Reden bedeuten, Edward?« fragte der Prior streng.
»Vater,« sprach der Jüngling, indem er vor dem Prior niederkniete, »ich will Dir meine Sünde bekennen und Du sollst Zeuge sein von meiner Reue.«
»Was ist es, mein Sohn, das Dein Gewissen so peinigt?« fragte der Prior gütig. »Laß es mich wissen. Die Gnade der Kirche ist groß gegen ihre folgsamen Kinder, die ihre Gewalt nicht bezweifeln.«
»Mein Bekenntnis wird ihrer Gnade gar sehr bedürfen,« erklärte Edward, »ich hörte von dem plötzlichen Tode des Bruders mit Freude und freute mich seiner – ich hörte von seiner Wiedergeburt und betrübte mich dessen.«
»Edward!« rief der Mönch, »Du bist von Sinnen! In der Erschütterung Deines Herzens hast Du die Stimme desselben falsch gedeutet! Geh hin, mein Sohn, und sammle Deine Sinne im Gebet!«
»O, Vater, was mein Herz erfüllte, was mein Herz trieb zu solch sündiger Freude, es war die Liebe zu Mary von Avenel! durch sie bin ich zu dem schrecklichen Sünder geworden, als welchen ich mich vor Dir und unsrer Kirche bekenne!«
»Liebe zu einem Mädchen, das Eurem Stande so weit überlegen ist? Wie durfte Halbert, wie durftest Du es wagen, die Augen zu ihr zu erheben, anders, als mit dem Bewußtsein, daß sie für Euch unerreichbar sei? daß sie an Rang so unendlich über Euch stände, daß jeder solche Gedanke an Wahnsinn streife?«
»Wann hat Liebe gewartet auf Ahnen?« erwiderte Edward; »war Mary nicht unsrer Mutter Pflegekind? und in nichts unterschieden von uns, mit denen sie gemeinsam erzogen wurde? Genug, wir liebten sie, liebten sie beide! und ich sah, wenn, wir beisammen saßen, recht gut, daß Halbert ihr der Liebere sei, an tausenderlei Zeichen. Aber ich trug es, Vater, ohne ihn zu hassen ...«
»Und wohl Dir,« fiel der Mönch ihm in die Rede, »daß Du es trugst, und daß Du ihn nicht haßtest! wie hattest Du auch so verstockt sein können, ihn zu hassen, weil er töricht war wie Du?«
»Vater,« fügte Edward, »die Welt hält Dich für weise und schätzt Deine Kenntnis des menschlichen Herzens. Aber hier gehst Du irre! Es geschah nicht ohne schweren innern Kampf, daß ich mich vor Haß bewahrte, und nie habe ich schwerer gekämpft als in jener Nacht, die uns trennte. Und es war mir kaum möglich, der Freude zu widerstehen, als er von meinem Pfade gerissen wurde – es war mir nicht möglich, mich der Betrübnis zu wehren, als er wieder in meinen Pfad geschleudert wurde.«
»Gott sei Dir gnädig, mein Sohn!« sprach der Mönch und legte die Hand auf sein hämmerndes Haupt, »das ist ein gräßlicher Gemütszustand! In eben solch böser Stimmung erwürgte der erste Mörder seinen Bruder, weil Abels
Weitere Kostenlose Bücher