Das Kloster (German Edition)
die Kirche aus solcher geistigen Wiedergeburt hundertfältigen Vorteil, während ihr der zeitliche Tod des Mannes bloß schaden würde.«
Am Schlusse dieser Betrachtungen angelangt, die in demselben Maße von seiner Herzensgüte wie von der Beschränktheit seiner Anschauungen und auch einem gewissen Grade von Eigendünkel und Selbsttäuschung Zeugnis gaben, erteilte der Unterprior Befehl, den gefangenen Prediger vor ihn zu bringen.
»Heinrich,« sagte er, »alte Freundschaft und christliches Mitleid verbieten mir, das zu erfüllen, was mir das strenge Pflichtgefühl gebeut, und Dich dem sichern Tode zu überliefern. Du warst, wenn auch hart und unbeugsam in Deinen Entschlüssen, doch immer edlen Herzens. Ich verlange von Dir kein andres Versprechen, als daß Du Dein Wort gibst, nicht aus diesem Turme zu entfliehen, und Dich, der Ladung gehorsam, zu stellen.«
»Du hast einen Kunstgriff gefunden,« antwortete der Prediger, »mir die Hände fester zu binden, als es die schwersten Kerkerfesseln vermöchten. Selbstverständlich werde ich nichts tun, was Dich bei Deinen Obern in Mißkredit setzen könnte, und werde um so behutsamer vorgehen, als es mir bei weiteren Unterredungen doch am Ende noch gelingt, Deine Seele wie einen Brand aus dem Feuer zu retten, Dich aus den Klauen des Antichrists zu erlösen.«
Der Unterprior geriet ob dieser Meinung, die seiner eignen so vollständig gleich war, in hellen Zorn, und streitfertig rief er:
»Gott und die heilige Jungfrau seien gelobt, daß mein Glaube an jenem Felsen ankert, auf welchem der heilige Petrus seine Kirche gegründet hat.«
»Das ist eine Textverdrehung,« rief der eifrige Streiter Heinrich Warden, »die sich an ein bloßes Wortspiel klammert, und eine durchaus grundlose Redefigur.«
Es fehlte wenig, so hätte sich der Wortstreit wieder entzündet und vielleicht mit der Abführung Heinrich Wardens in den Klosterkerker geendigt, zum Glück aber warf jetzt Christie von Clinthill die Bemerkung dazwischen, daß es spät zu werden anfange und sie wohl gut täten, aufzubrechen, da sie ja noch durch das ganze Tal zu wandern hätten, das doch ziemlich berüchtigt sei, und das er nach Sonnenuntergang nicht gern noch passieren möchte. Der Unterprior bekämpfte deshalb seine Streitlust, erinnerte Heinrich Warden nochmals daran, daß er sich seiner Dankbarkeit und seines Edelsinns gewärtig halte, und verabschiedete sich von ihm.
»Du darfst Dich versichert halten, alter Freund,« erwiderte Warden, »daß ich mit Vorsatz und Willen nichts tun werde, was Dir nachteilig werden könnte. Sollte aber mein Meister mich zu einem neuen Werk auffordern, dann ist es für mich Gebot, Gott eher zu gehorchen als den Menschen.«
Die beiden Männer, die durch Gaben der Natur und durch einen erworbnen Schatz von Kenntnissen gleich hervorragend waren, hatten der gemeinsamen Berührungspunkte weit mehr, als sie sich zugestehen mochten. Worin sie von einander im Grunde genommen nur abwichen, war die Eigenschaft des einen als Katholik und die Eigenschaft des andern als Protestant. Der Katholik stritt für seinen Glauben, der wenig Raum für Gefühl und Empfindung litt, voll frommer Ergebenheit in die Gerechtigkeit seiner Sache mehr mit dem Kopf als mit dem Herzen und zeigte sich weltklug, behutsam und listig ... der andre hingegen, den die starke Triebfeder einer im spätern Leben gewonnenen Ueberzeugung leitete, verfocht dieselbe mit dem gerechten Gefühl eines lebendigen Vertrauens, mit Feuer und Begeisterung und, bedingt hierdurch, mit einer gewissen Ueberhast. Wahrend der Katholik also, um sich soldatisch auszudrücken, der Defensive den Vorzug gab, trachtete der Protestant nach der Offensive; der Priester suchte hinzuhalten, der Prediger hingegen zu erringen. Aber sie konnten nicht von einander scheiden, ohne sich noch einmal die Hände zu reichen und mit einem Blicke ins Angesicht zu schauen, aus welchem sowohl Kummer als Liebe und Mitleid deutlich sprachen.
Pater Eustachius machte nun der Witwe Glendinning davon Mitteilung, daß der Prediger auf ein paar Tage bei ihr als Gast zu verweilen hätte, und untersagte ihr und allen Hausbewohnern, unter Androhung schwerer Kirchenbußen, sich mit ihm über Glaubenssachen in irgend welches Gespräch einzulassen, hingegen für seine sonstigen Bedürfnisse gewissenhaft Sorge zu tragen.
Frau Glendinning war über diese Mitteilung tief erschrocken und fand erst nach einer Weile die Fassung zu folgender Antwort:
»Verzeih mirs unsre liebe
Weitere Kostenlose Bücher