Das Knochenhaus
Verhalten der Bieter meist recht gut erkennen, wie groß ihr Interesse und ihre finanziellen Mittel sind.«
Archie nickte.
»In den kommenden Tagen werden wir einen Gegenstand auswählen, den wir erwerben wollen, und ich möchte, dass du die Gebote machst. Ich will, dass du mit den Gefühlen vertraut wirst, die mit dem Spiel einhergehen, so wie ich es sehe, und dass du lernst, sie unter Kontrolle zu halten. Dabei sind deine größten Vorteile – wie in allen Dingen – ein kühler Kopf und ein ungetrübter Geist.«
»Ich werde mein Bestes geben, Sir.«
»Das weiß ich doch, Archibald.« Sie erreichten das große Regency -Gebäude, in dem die Auktionatoren von Sotheby’s zu Hause waren, und blieben davor stehen. »Ah! Da sind wir. Wollen wir hineingehen?«
Der Earl führte den jungen Mann durch die messingverkleideten Türen in das mit rotem Teppich ausgelegte Foyer, wo er von livrierten Dienern empfangen wurde. Sie begrüßten ihn und führten ihn und seinen Begleiter direkt zum Manager, der mit vielen Verbeugungen und Kratzfüßen Seine Lordschaft willkommen hieß.
»Wir sind geehrt, Eure Lordschaft. Bitte machen Sie es sich bequem, während ich Sessel für Sie holen und auf dem Parkett aufstellen lasse.«
»Ich wünsche Ihnen einen Guten Tag, Mumphrey«, erwiderte der Earl. »Machen Sie sich nur keine Umstände. Wir sind nur aus Müßiggang und Neugierde hergekommen.«
»Darf ich Ihnen einen Beruhigungstrunk anbieten, Mylord? Ich habe exzellenten Sherry, der gerade aus Portugal gekommen ist. Ihre Meinung über ihn würde ich sehr zu schätzen wissen, Sir. Die Partner denken darüber nach, eine größere Lieferung zu übernehmen und sie versteigern zu lassen.«
»Aber sicher, Mumphrey, es wäre eine Freude für mich«, antwortete der Earl. Während der Manager forteilte, um den Sherry zu holen, richtete Lord Gower seine Aufmerksamkeit auf den Saal und ließ seinen Blick umherschweifen. »Momentan ist noch niemand hier«, erklärte er, obwohl sich in Wirklichkeit schon viele Leute im großen Eingangsbereich aufhielten und noch mehr hereinströmten. »Lass uns nachschauen, was für Angebote wir heute haben.«
Sie gesellten sich zu der Menschenmenge, die sich um die Präsentationstische entlang der Wände des Foyers versammelt hatte. Dort waren auch Staffeleien mit großformatigen Ankündigungen und Beschreibungen der verschiedenen Gegenstände aufgestellt worden, die im Verlauf der heutigen Versammlung angeboten würden.
»Wie ich erwartet habe«, bemerkte der Earl nach einer kurzen Prüfung der Ausstellungsstücke. »Hier ist nichts von Interesse für uns. Doch das ist nicht unser Hauptanliegen. Wir sind nicht hier, um etwas zu erwerben, sondern um zu lernen. Es wird sehr lehrreich sein.«
Und lehrreich war es sicherlich ... wenn auch vielleicht nicht in der Art und Weise, wie Seine Lordschaft es beabsichtigt hatte – und noch weniger, wie er es gebilligt hätte. Denn bei diesem ersten Besuch – ebenso wie bei all denen, die im Verlauf der nächsten Monate folgen würden – lernte Archie vor allen Dingen eines: den enormen Einfluss, den ein Adelstitel besaß. Verbunden damit erwarb Archie, der ein eifriger Studierender war, auch ein Verständnis vom gewaltigen Nutzen eines Auktionshauses als neutralen Warenlieferanten.
Während der junge Mann das Auf und Ab der Auktionen beobachtete – es erinnerte ihn an einen rituellen Tanz –, gelangte er rasch zu der Auffassung, dass es zwar im Prinzip schön und gut war, an Orten wie Sotheby’s wertvolle Stücke zu erwerben und sie mit Gewinn an reiche Klienten zu verkaufen, aber dass es sich dabei um einen langsamen und ineffizienten Weg handelte, um ein Vermögen anzuhäufen. Archie schien es, dass derjenige die beste Position innehatte, der in der Verkaufskette an erster Stelle stand. Die größten Gewinne erzielte der erste Verkäufer und nicht einer der Mittelsmänner, die eine Ware kauften und sie dann weitervertrieben. Statt als Zwischenhändler für andere zu fungieren – denn das war im Wesentlichen die Rolle, die Lord Gower spielte –, könnte ein Mann mit Geschmack, gutem Urteilsvermögen und einem Gespür für die Marktentwicklung, der zudem die finanziellen Mittel und die Neigung zum Reisen besaß, recht leicht die gleichen Objekte in ihren Ursprungsländern erwerben und sie anschließend direkt an Privatkunden verkaufen oder sie einfach durch die Auktionshäuser auf den Markt bringen.
Wenn darüber hinaus ein solcher Mann einen Adelstitel
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