Das Knochenhaus

muss in der Lage sein, so etwas auf den allerersten Blick zu erkennen. Konzentrier dich! Was sind Imitate, was echte alte Kunstobjekte?«
    Zögernd streckte Archie Burley einen Finger in Richtung Katzenstatuette, zog dann aber die Hand zurück. Als Nächstes wandte er sich dem Ring zu. Und danach blickte er zwischen Eule und Krokodilskulptur hin und her und druckste herum, bevor er sich für den Goldring und das Ohrgehänge entschied. »Der Skarabäus und die Ohrringe – sie sind echt«, verkündete er.
    Lord Gower zog fragend die Augenbrauen hoch. »Der kleine Skarabäus und die Ohrringe? Bist du dir vollkommen sicher?«
    Archie nickte kurz.
    »Nicht die Eule? Nicht die Gewandspange?« Seine Lordschaft fuhr mit dem Finger leicht über die Gemme, sodass die Saphire zu funkeln begannen. »Das da ist ein wertvolles Stück.« Er zeigte auf die Alabasterskulptur. »Warum nicht das Krokodil? Es ist sehr schön.«
    »Die Frage lautete nicht, was ist das schönste oder teuerste Objekt«, erklärte Archie. »Sie wollten wissen, welche davon echte Kunstwerke sind und welche von ihnen bloße Imitate. Ich bin der Ansicht, dass der Skarabäus und die Ohrringe Originale sind.«
    »Gut gemacht, Archibald!« Der Earl begann, sehr langsam in die Hände zu klatschen. »Du hast recht. Das sind echte ägyptische Antiquitäten. Junge, du hast das Talent. Du machst dich.«
    »Danke schön, Sir.«
    »Aber verrate mir eines.« Lord Gower nahm die Gewandspange. »Warum hast du dich nicht für diese schöne Spielerei entschieden? Oder für das Nilpferd und das Krokodil?«
    »Die Gewandspange ist zu ...« – Archie zögerte, dann zuckte er mit den Achseln – »... zu glänzend. Richtige Edelsteine sind unaufdringlicher. Ich glaube, die Fassung ist echt, doch die Steine müssen Fälschungen sein. Und das Flusspferd ist falsch.«
    »Was meinst du mit ›falsch‹? Erklär es mir.«
    »Das Flusspferd ist zu klein im Vergleich zum Krokodil und sieht wie ein Schwein aus. Ich vermute, der Gegenstand wurde von jemandem hergestellt, der dieses Tier noch nie in natura gesehen hat. Oder der Kunsthandwerker hat vielleicht einfach nur von einer anderen Statue kopiert.« Archie fuchtelte mit einer Hand in Richtung der Katze und der Eule. »Die Katze ist gut konstruiert und echte Qualitätsarbeit, doch das Material ist nicht authentisch. Ein ägyptischer Künstler hätte Stein benutzt. Das Gleiche gilt für die Eule.«
    »Was ist falsch an der Eule?«
    »Die Statue ist in Silber gegossen – wiederum kein Material, das ein ägyptischer Künstler der klassischen Periode benutzt hätte.« Er warf seinem Lehrer einen Blick zu, der Zustimmung einforderte. »Habe ich recht?«
    »Das ist vollkommen richtig.« Gower strahlte seinen Schüler an. »Mein Junge, du hast deine Lektionen gut gelernt. Ich glaube, du bist jetzt bereit, mich zum Auktionssaal zu begleiten.«
    »Ich fühle mich geehrt, Sir.« Archie spürte, wie er bei diesem Gedanken vor Aufregung zitterte. Obwohl er innerlich vor Freude Rad schlug, zeigte er äußerlich weiterhin ein ruhiges und desinteressiertes Verhalten, so wie es ihn Seine Lordschaft gelehrt hatte: Ein kluger Geschäftsmann verrät niemals seine wahren Gefühle. Ein unbedachter Schwall der Begeisterung konnte leicht einen zunächst günstigen Preis für eine Ware in die Höhe treiben oder, noch schlimmer, den Geschäftsabschluss völlig scheitern lassen. »Ich werde mein Bestes geben, um das Vertrauen, das Sie in mich setzen, nicht zu enttäuschen.«
    »Ich bin sicher, dass du dich auf die richtige, angemessene Art und Weise bewähren wirst.« Der Earl begann, die Wertgegenstände aufzunehmen und sie nacheinander zu ihren jeweiligen Behältern in der Halle zurückzubringen. »Morgen«, verkündete er und nestelte dabei an der Gewandspange, »werden wir mit deiner Ausbildung auf dem Parkett des Auktionshauses Sotheby’s beginnen.«
    Am nächsten Tag fuhren sie mit der Kutsche die Strand entlang, stiegen am Ende der Wellington Street aus und gingen dann die letzten paar hundert Yards zu Fuß weiter, sodass der Earl die Möglichkeit hatte, einige seiner Londoner Anwesen zu betrachten. Von einem bestimmten Blickwinkel aus gesehen waren seine Besitztümer in der Stadt bescheiden, allerdings verschafften sie ihm beständige Einkünfte, die Archie geradezu astronomisch erschienen. Nicht dass der junge Mann in einer Position war, in der er sich hätte beklagen können: Lord Gower unterstützte ihn sowohl mit einem wöchentlichen