Das Knochenhaus
auf den Sarkophag, in den er und Kit die Leichen von Sir Henry und Cosimo gelegt hatten.
Kit sah den Blick ebenso wie den darauf folgenden verzerrten Gesichtsausdruck und erkannte diese Reaktion wieder. »Ich weiß, Giles«, erklärte er tröstend. »Es braucht eine gewisse Anstrengung, all das hinter sich zu lassen. Doch vielleicht hilft es, sich daran zu erinnern, dass dies nicht dasselbe Grab ist, in dem Sir Henry und Cosimo gestorben sind. Jenes Grabmal – das, in dem wir gewesen sind – befindet sich an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit: in einer anderen Welt.«
Giles nickte, sagte jedoch nichts dazu.
»Nun«, sagte Kit und ging hinüber zum vierten der gewaltigen Wandgemälde, »schaut auf dieses letzte Großbild. Es zeigt den Hohen Priester Anen, der die Karte hält – die ganze, wohlgemerkt –, während er auf den Stern zeigt.«
»Aber unsere ist nur ein Teil davon«, merkte Wilhelmina an. »Hast du das nicht selbst gesagt?«
»Möglicherweise nur der vierte oder fünfte Teil vom Ganzen – genauso wie Cosimo gedacht hat. Und das entspricht mehr oder weniger dem Bruchstück, das ich in der Krypta der Christ Church gesehen habe.«
»Aber du hast behauptet, das sei eine Fälschung gewesen«, hob Mina hervor.
»Das war es auch«, bestätigte Kit. »Wiewohl sich jemand die Mühe gemacht hatte, dieser Kopie in etwa die gleiche Form und Größe wie das Original zu verleihen, das er gestohlen hat.«
»Was werden Sie mit der Karte anfangen?«, fragte Thomas. »Was werden Sie unternehmen – jetzt, wo Sie sie gefunden haben?«
Kit dachte nach. »Zuerst müssen wir lernen, sie zu lesen. Und dann werden wir sie nutzen, um Cosimos und Sir Henrys große Suche nach Flinders-Petries Schatz fortzuführen.«
Wilhelmina ging mit ihrer Lampe und dem Gesicht ganz nahe an das Gemälde heran und studierte die Karte in der Hand des Hohen Priesters. »Sind diese Symbole in irgendeiner Weise korrekt – was denkst du?«
»Ich wünsche, sie wären es«, entgegnete Kit. »Allerdings sind es nur Darstellungen von Künstlern. Ich denke nicht, dass die Leute, die diese Symbole gezeichnet haben, irgendein Interesse daran hatten, die echten Zeichen detailgetreu wiederzugeben. Meine Vermutung ist, dass sie wahrscheinlich niemals die echte Karte zu Gesicht bekommen haben.« Er zuckte mit den Achseln. »Aber wer kann sich da sicher sein?«
»Lass mich einen Blick auf die Karte werfen«, forderte Wilhelmina ihn auf.
Kit wandte sich an Thomas, der daraufhin ein Bündel hervorholte, das in ein neues Tuch gewickelt war. Der Arzt löste die Schnur und rollte das fast durchsichtige Stück aus menschlichem Pergament auf. In dem sanft funkelnden Licht der Lampen schienen die in die Haut gestochenen indigofarbenen Symbole mit seltsamer Kraft zu pulsieren.
»Darf ich?«, bat Wilhelmina. Thomas überreichte ihr die Karte, und sie hielt sie an dem Gemälde hoch. Obwohl die Symbole auf dem Wandbild im Vergleich zum Original derbe Schnörkel waren, schienen die grundlegenden Formen mehr oder weniger korrekt zu sein. Das Teil, das Mina hielt, passte zum oberen rechten Quadranten der Karte in der Hand des Hohen Priesters Anen.
»Wer auch immer die Karte zerschnitten hat, ist sehr vorsichtig gewesen«, merkte Mina an. »Schaut auf die gezackten Ränder.« Sie zeigte auf den unteren Bereich und die linke Seite der Karte. »Seht nur, wie unregelmäßig diese Linien sind.«
»Wer auch immer das getan hat, muss sich große Mühe gegeben haben, nicht in die anderen Symbole hineinzuschneiden«, erklärte Kit. »Man hat um sie herumgeschnitten und so diese Wellenränder geschaffen.«
»Die angrenzenden Teile werden exakt dazu passen«, stellte Thomas fest. »Damit werden Sie die Echtheit eines anderen Kartenfunds überprüfen können.«
Vorsichtig rollte Wilhelmina das menschliche Pergament wieder auf und reichte es Thomas, der es in das schützende Tuch hüllte. Die vier waren dann wieder ins Wadi-Lager zurückgekehrt, wo Khefri ein besonderes Abendessen aus gebratener Ziege hatte zubereiten lassen, um den erfolgreichen Abschluss der Ausgrabung zu feiern. Bis spät in die Nacht hinein hatten sie gegessen und erzählt. Und jetzt, wo die Sonne im Osten aufging, war es Zeit für den Aufbruch.
Wilhelmina begann, die Allee entlangzugehen; sie marschierte auf die Stelle zu, wo Giles bereits wartete. Kit, der von ihr mitgezogen wurde, hob seine Hand und rief: »Leben Sie wohl!«
»Geht mit Gott, meine Freunde!«, schrie Thomas und winkte
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