Das Knochenhaus
hindurchgewunken.
Kit sah Giles an, dessen Gesichtsausdruck unbeweglich und unergründlich blieb. »Was haltet Ihr denn davon?«, fragte er.
Giles schaute sich nachdenklich um. »Es scheint alles so zu sein, wie es sollte«, antwortete er nur.
Sobald sie den großen Platz der Stadt erreicht hatten, stiegen sie ab. Wilhelmina bezahlte den Bauer mit ein paar kleinen Münzen und dankte ihm. Nachdem sie sich einen Überblick über ihr noch vorhandenes Geld verschafft hatte, sagte sie: »Das hier nennt man Altstädter Ring. Es ist der wichtigste Marktplatz und meiner Ansicht nach der beste Ort in der Stadt, um zu leben.«
»Du lebst hier?«, fragte Kit erstaunt. Derzeit war kein Markt im Gange, doch die ausgedehnte gepflasterte Fläche war voller Menschen, die ihren Handel von kleinen Karren aus betrieben oder in anderer Weise ihren Geschäften nachgingen.
»Genau«, erwiderte sie und führte ihre beiden Gefährten über den Platz. »Ich habe sogar einen Partner und ein Geschäft.« Sie wies auf eine Reihe stattlicher Häuser hin, welche die Nordseite des Platzes säumten. »Das Grüne da« – sie zeigte auf eines der Gebäude –, »an dem das Schild mit der Goldschrift hängt. Das ist meines.«
» Das Große Kaiserliche Kaffeehaus .« Kit las die Worte auf dem Schild laut vor. »Mina, willst du mir etwa erzählen, du hättest ein Kaffeehaus?«
»Ein Kaffeehaus und eine Bäckerei«, erwiderte sie. »Das beste in der Stadt – tatsächlich das beste in ganz Böhmen. Wir sind einzigartig.«
»Du meine Güte«, murmelte Kit und schüttelte ungläubig den Kopf. »Also hast du auf diese Weise all die Zeit überlebt – als Bäckerin in einem Kaffeeladen?«
»Kit, ich besitze das Geschäft!«
»Du hast erwähnt, du hättest einen Partner?«
»Richtig, einen Geschäftspartner«, sagte sie, um die angesprochene Beziehung zu verdeutlichen. Sie drückte die Tür auf und winkte die beiden hinein. »Vorwärts, ich werde euch ihm vorstellen.«
Sie traten über die Schwelle in einen Gastraum voller Tische, auf denen saubere Tücher lagen. Dort wurden Kunden von Kellnerinnen bedient, die grüne Kleider, weiße Schürzen und kleine grüne Hauben trugen. Während die Ley-Reisenden zwischen den Tischen hindurchgingen, erkannten einige Kunden des Geschäfts die Hausherrin wieder und grüßten sie höflich. Eine Ladentheke trennte den Gastraum von der Küche, die einen Duft von frisch geröstetem Kaffee und warmem Gebäck verströmte, bei dem einem das Wasser im Munde zusammenlief.
»Hier entlang.« Mina führte die beiden um den Tresen und weiter nach hinten ins Innere der Küche, wo Backöfen aufgestellt waren. »Etzel, ich bin zurück!«, rief sie auf Deutsch.
Daraufhin drehte sich ein großer, sanfter Bär von einem Mann um, der eine mehlverstaubte Schürze und eine schlaffe grüne Mütze trug. Sein Gesicht war ganz rot, weil er sich gerade über einen Ofen gebeugt hatte. »Oh! Mein Schatz!«, begrüßte er sie und streckte seine dicken Arme aus, um sie an sich zu drücken. In seiner Umarmung wäre Wilhelmina beinahe verschwunden. »Ich dachte, du würdest den ganzen Tag fort sein, oder nicht?«
»Ich schätze, die Reise hat doch nicht so lange gedauert, wie ich angenommen habe«, antwortete sie. »Komm, ich habe Freunde mitgebracht. Ich möchte, dass du sie kennenlernst.«
Er schaute auf und bemerkte zum ersten Mal die Besucher. »Das würde mich freuen«, keuchte er und riss sich die Mütze vom Kopf. Mit den molligen Fingern der anderen Hand fuhr er sich durch die hellblonden Haare in dem Bemühen, sich selbst vorzeigbar zu machen – eine Geste von so freundlicher Bescheidenheit, dass Kit ihn sofort mochte.
»Kit, Giles. Das ist mein Freund und Partner Engelbert Stiglmaier«, sagte sie zunächst auf Englisch und anschließend für den Bäcker auch auf Deutsch. Dann fügte sie hinzu: »Der beste Mann, den ich kenne.«
»Oh, du Schmeichlerin!«, rief Etzel, der aufgrund des Kompliments ganz rot wurde. Er tätschelte sie, eine Geste offenkundiger Zuneigung, und sie küsste ihn auf die teigige Wange. Dann wandte sich der Bäcker wieder seinen Gästen zu und streckte ihnen die Hand entgegen, die sie nacheinander schüttelten. »Willkommen, meine Freunde«, begrüßte er sie und verbeugte sich leicht. »Ich bin geehrt.«
»Es freut mich, Euch kennenzulernen«, sagte Kit auf Englisch, und Mina übersetzte die Worte.
»Auch mich freut es«, erwiderte Etzel. »Ich hoffe, Ihr hattet eine gute Reise?« Mina dolmetschte
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