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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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erneut, doch bevor einer von ihnen darauf antworten konnte, rief Etzel aus: »Wo habe ich nur meine Gedanken? Ihr müsst ja verhungern. Setzt Euch, setzt Euch. Ihr müsst unbedingt etwas von meinem frisch gebackenen Apfelstrudel essen. Er wird Euch zu neuem Leben erwecken.«
    Während Etzel mit dem Strudel beschäftigt war, zog Mina eine frische, saubere Schürze an und begann, Kaffee zu kochen. Mit einem Interesse, das schon fast in Bewunderung überging, beobachtete Kit den effizienten Arbeitsablauf in diesem Geschäft. Er konnte nicht über die Veränderung hinwegkommen, die er in Wilhelmina sah, während sie ihre Angestellten dirigierte und in der Küche das Kommando übernahm; dabei legte sie auf eine mühelose Weise eine Autorität an den Tag, die er nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Aber das war bei Weitem nicht alles: Ihr Haar war länger und irgendwie üppiger, ihre lange, schlanke Figur ein wenig fülliger, was sie wohlgeformt aussehen ließ. Die dunklen Ringe unter den Augen, einst ein ständiger Bestandteil ihrer äußeren Erscheinung, waren fort; und sie strahlte eine Vitalität und Energie aus, die Kit bei ihr noch nie erlebt hatte. Sie war, wie er fand, eine voll zur Geltung gekommene Frau, und er mochte das, was er bei ihr sah.
    Wenig später rief Etzel einem seiner Gehilfen zu, er solle Teller bringen, und gab seinen Gästen zu verstehen, dass sie Platz nehmen sollten.
    »Sucht euch einen freien Tisch aus«, sagte Mina, »und ich bringe dann den Kaffee.«
    Kit und Giles gingen in den Gastraum zurück, wo immer noch ein paar Leute saßen, obwohl der Abend bereits angebrochen war. Sie wählten einen Tisch in einer weiter entfernten Ecke aus, sodass sie reden konnten, ohne dadurch die anderen Gäste zu stören.
    Einen Augenblick später erschien Etzel, der summend große, warme Strudelstücke auf die Teller vor ihnen legte. Anschließend platzierte er mit anmutigen Bewegungen neben jedem Teller einen kleinen Löffel. Zufrieden darüber, dass alles in Ordnung war, forderte der große Bäcker seine Gäste zum Essen auf. »Mahlzeit! Guten Appetit!«
    Kit und Giles ergriffen ihre Löffel und nahmen gleichzeitig einen Probehappen.
    »Sehr gut!«, lobte Kit auf Deutsch und vollführte eine stumme Gebärde der Freude.
    »Sehr gut!«, wiederholte Giles auf Englisch und beugte sich über seinen Teller. Er begann, den Apfelstrudel rasch hinunterzuschlingen wie ein hungriger Mann, was er ja auch war.
    Kits höfliche Zurückhaltung währte zwei weitere Bissen, und dann fing auch er an, mit ganzer Kraft das Essen in sich hineinzuschaufeln. Zwischendurch sprach er mit vollem Mund murmelnd seine aufrichtige Anerkennung aus. Etzel, der die Hände über seinem Bauch gefaltet hatte, strahlte sie an und kicherte.
    Wilhelmina erschien mit einem Tablett, auf dem kleine Kaffeekannen und Tassen standen. »Nun, das geht ja prima runter«, bemerkte sie und wandte sich an Etzel. »Dein Strudel wird weltberühmt.«
    »Es ist das Gewürz, das du uns gebracht hast«, erklärte er mit Absicht.
    »Du meinst den Zimt«, sagte sie, voller Freude darüber, dass er dieses fremdartige Gewürz benutzte. »Glaubst du das wirklich?«
    »Ja, das macht den Unterschied«, bekräftigte Etzel. Dann sah er, dass die beiden Männer ihre Kuchenportionen fast aufgegessen hatten. »Ich werde noch mehr davon holen.«
    »Ich habe gar nicht gewusst, dass ich so hungrig gewesen bin«, bemerkte Kit. Giles stimmte ihm zu, indem er mit vollem Mund nickte.
    »Nach Geschäftsschluss werden wir ein schönes Abendessen haben – wenn ihr zwei noch so lange aushalten könnt.« Wilhelmina setzte das Tablett ab und ergriff ein Kännchen. Sie goss gerade die ersten Tassen voll, als ihr Blick auf die Eingangstür des Kaffeehauses fiel und sie Gäste eintreten sah. »Es sieht so aus, als ob der Ladenschluss noch eine kleine Weile wird warten müssen. Ich biete diesen letzten Gästen jetzt Plätze an und beginne dann, die Fensterläden zu schließen.«
    »Lass dich nicht von uns stören«, erwiderte Kit und hob seine Kaffeetasse. »Wir sind wunschlos glücklich«, fügte er in einem herzlichen Tonfall hinzu und nippte von der köstlichen schwarzen, bitteren Flüssigkeit. »Nun, Giles, alter Kumpel, es sieht ganz so aus, als ob wir diesmal auf die Füße gefallen sind. Wer hätte das gedacht, was?«
    Als die Neuankömmlinge hinter Kit vorbeigingen, sah er, dass Giles sie mit seinen Augen verfolgte. Die Gesichtszüge des jungen Mannes erstarrten in einem seltsamen

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