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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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hier das Wasser tief und langsam strömte. Dann watete er dorthin, tauchte ein und schwamm ein wenig umher. Er bewegte sich auf und nieder, um seine Kleidungsstücke gründlich einzuweichen. Anschließend watete er zum Ufer zurück und zog sich aus.
    All das Planschen im Wasser hatte natürlich eine kleine Menschenmenge angelockt, und schon bald war er Gegenstand intensiver Beobachtung. Denn obwohl sie verstanden, dass seine Kleidung dieselbe Funktion hatte wie ihre – auch wenn sie unterschiedlich waren –, reagierten die Jüngeren mit der gleichen Mischung aus Faszination und Abscheu, die er wohl empfände, falls er einen Geschäftsmann sähe, der wie eine Schlange seine Haut abstoßen würde. Sie schwatzten aufgeregt durcheinander, als sie das erste Mal seine extrem weiße, haarlose Haut sahen: Kit zumindest vermutete, dass es das war, was ihnen an ihm besonders auffiel, und nicht sein alltäglicher und völlig unscheinbarer Körperbau.
    Trotz seiner ursprünglichen Bedenken stellte er fest, dass es ihm nichts ausmachte, vor den Augen des Stammes nackt zu sein – noch weniger als ein Bauer sich scheuen mochte, wenn er vom Scheunenhofvieh nackt ertappt wurde. Es hatte nichts damit zu tun, dass er sie gerade in Gedanken mit Vieh verglichen hatte; vielmehr war das Gefühl, unterschiedlichen Spezies anzugehören, so groß, dass es ihn einfach nicht mehr kümmerte, sobald er sich aus dem klatschnassen Hemd und der triefenden Hose herausgewunden hatte und beide gegen die glatten, flachen Flusssteine schlug.
    Auf jeden Fall erwies sich die Übung als leidlich erfolgreich: Nachdem seine Kleidungsstücke auf einem von der Sonne beschienenen Busch getrocknet waren, schienen sie frischer, wenn nicht gar sauberer zu sein. Doch während er am Flussufer in der Sonne lag, fühlte er die Kühle, die selbst an den wärmsten Tagen oft in der Luft zu spüren war; und da wusste er, dass er sich an dem letzten Atemzug eines wunderbaren Herbstes erfreute. Die Tage wurden schon kürzer, die Nächte stetig kälter. Inzwischen enthielt die Morgenluft oft eine eisige Note, und die Tage waren wolkenverhangen. Er fragte sich, was der Fluss-Stadt-Clan mit Blick auf den Winter zu unternehmen gedachte – wohin würden sie gehen? Er glaubte nicht, dass sie einfach weiterhin am Fluss lagern würden.
    Und er sollte recht behalten.

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EINUNDDREISSIGSTES KAPITEL

    H errschaft nochmal – warum, o warum nur, können nicht alle nur einmal das machen, was man ihnen gesagt hat? Wilhelmina tippte nervös mit dem Fuß auf den Boden und starrte düster den leeren Pfad hinunter. Kein Kit. Dabei sollte er doch hier sein. Ihre Anweisungen waren einfach, konkret und klar gewesen: Rühr dich nicht vom Fleck. Geh nicht weg! Warte auf die Rettung.
    War das etwa zu viel verlangt?
    Okay, Giles’ Verwundung bedeutete eine Störung des Plans. Es hatte zugegebenermaßen eine Menge gekostet, um das wieder in Ordnung zu bringen – ganz zu schweigen davon, dass sie dabei ihre sorgfältig aufrechterhaltene Tarnung aufs Spiel gesetzt hatte –; und dadurch war alles beträchtlich verzögert worden. Aber das war keine Entschuldigung für Kit, einfach fortzugehen, da sie ihm ausdrücklich gesagt hatte, er dürfe sich kein bisschen fortbewegen.
    Aber hätte Kit das hinbekommen können? Verdammt, das hätte er können!
    Sie entschied, noch weitere fünfzehn Minuten zu warten. Wenn Kit bis dahin nicht auftauchte, würde sie ihre gegenwärtige Zeitposition aufgeben und eine andere versuchen müssen. Dieser bestimmte Ley hier, der ins Tal hinabführte, war absolut zuverlässig. Bei all ihren Experimenten, durch die sie die Stränge des Ley-Reisens gelernt, ihre Technik trainiert und die Planung des Ziels geübt hatte – und wo es hauptsächlich nur darum gegangen war, erst einmal die unglaubliche Möglichkeit zu begreifen versuchen, einfach kurz von einer Welt in die andere zu gehen ... Bei all diesen anfänglichen Testläufen war sie zu der Ansicht gelangt, dass der Großes-Tal-Ley, so hatte sie ihn genannt, ziemlich unkompliziert war. Sein Zeitfenster schien begrenzt zu sein, und es gab nicht viele Verzweigungen und Gabelungen – oder was auch immer das waren –, die zu anderen Orten in anderen Universen wegführten. Dieser Ley war nur ein einfacher, geradliniger Durchgang: wie eine breite, gut überschaubare Autobahn.
    Wenn es Kit also bis zum Ley geschafft hatte, der vor ihm und den Verfolgern gewesen war – warum zum Teufel war er nicht da und wartete auf

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