Das Knochenhaus
ich könnte mir alles Mögliche ausdenken und ihnen erzählen.« Seine Augen verengten sich gefährlich. »Wisst Ihr, was sie hier mit Hexen anstellen?«
Wilhelmina biss sich auf die Lippe.
Lady Fayth, die diesen Wortwechsel beobachtet hatte, erklärte: »Giles war bloß der Kutscher meines Onkels. Er weiß nichts. Bitte, Archelaeus, lasst ihn gehen.«
»Also gut«, lenkte der Schwarze Earl ein und wandte sich wieder Wilhelmina zu. »Es kümmert mich nicht, wie Ihr es anstellt; doch ich will, dass er dann fort ist. Verschwunden.«
»Ich hab’s verstanden«, entgegnete Wilhelmina gereizt. »Es gefällt mir zwar nicht, doch ich werd’s tun.«
Anschließend gingen Burleigh und Lady Fayth fort und hinterließen den Verwundeten Minas Fürsorge. Man hatte Giles, der kaum bei Bewusstsein war, nach oben zu einem der Schlafzimmer getragen; und Mina gesellte sich zu ihm, um seine Verletzungen zu begutachten. Er war durch die Schulter geschossen worden: Die Pistolenkugel war von hinten nach vorne durch die Muskulatur gedrungen, hatte dem Schlüsselbein eine Kerbe zugefügt und seinen Brustmuskel übel zugerichtet. Zum Glück war der Geschossweg so weit oben, dass die Kugel die Lunge und wichtige Arterien verfehlt hatte. Mina glaubte nicht, dass er eine Bleivergiftung erleiden würde, da die Pistolenkugel aus der Wunde wieder ausgetreten war. Dennoch könnte er durchaus infolge einer septischen Infektion sterben, wenn es ihr nicht gelänge, die Wunde sauber zu halten. Hierfür holte sie eine große Menge von Engelberts hervorragendem Schnaps und weichte darin Giles’ Verbände ein. Außerdem gab sie ihm einen Schluck Laudanum, um die Schmerzen zu lindern und ihn einzuschläfern. Als dann der Verwundete in den Schlaf geglitten war, hatte sie sich aufgemacht, um auch Kit nach Hause zu bringen.
Wilhelmina stellte sich nun neben das Bett des Kranken und legte die Hand auf seine Stirn; mit einiger Erleichterung stellte sie fest, dass er bisher kein Fieber bekommen hatte. Durch die Berührung begann der Patient sich zu rühren und tauchte aus dem Betäubungsschlaf auf. Für einen Moment war er verwirrt und richtete sich auf. Sofort befiel ihn der Schmerz. Sein Gesicht verzerrte sich, und mit einem Stöhnen fiel er wieder nach hinten.
»Macht es Euch nur bequem«, beruhigte ihn Wilhelmina. »Ihr seid jetzt in Sicherheit. Holt tief Luft.« Sie wartete eine kleine Weile, während er seine Kräfte sammelte. »Ihr seid wirklich nur mit knapper Not entkommen. Ich habe Euch etwas Laudanum gegeben, und Ihr habt geschlafen. Erinnert Ihr Euch, was geschehen ist?«
Er nickte, sein Kopf blieb dabei auf dem Kissen. »Mr. Livingstone ... hat er es geschafft zu fliehen?«
»Kit ist davongekommen. Einige der Stadtleute glauben, sie hätten gesehen, wie er in den Fluss gesprungen sei. Burleigh denkt, dass Kit zur anderen Seite geschwommen sein könnte. Sie haben ihn dort gesucht.«
Giles fuhr mit der Zunge über seine trockenen Lippen.
»Ihr werdet durstig sein. Ich werde Euch etwas Wasser bringen. Habt Ihr starke Schmerzen?«
»Nein, Mylady.« Kraftlos schüttelte er den Kopf.
»Lügner. Ich werde Euch noch etwas Laudanum geben. Es führt dazu, dass Ihr einen schweren Kopf habt, aber es wird Eure Schmerzen betäuben.« Erneut legte sie ihre Hand auf seine Stirn. »Nur keine Sorge. Ihr werdet durchkommen.«
Er beugte seinen Kopf, um zu versuchen, seine Wunde zu sehen; als das nicht klappte, berührte er sie vorsichtig mit seinen Fingerspitzen. Dennoch zuckte er dabei zusammen.
»Ich bin kein Arzt«, sagte Mina. »Aber ich glaube nicht, dass Ihr sehr schwere innere Verletzungen davongetragen habt. Euer Schlüsselbein ist gebrochen – das scheint das Schlimmste von allem zu sein. Einer der besseren Ärzte dieser Stadt kommt jeden Tag ins Kaffeehaus, und ich werde dafür sorgen, dass er hier hereinschaut und sich Euch ansieht, wenn er herkommt.«
»Ist Burleigh immer noch hier?«
»Über den braucht Ihr Euch nicht zu sorgen. Er ist draußen auf der Jagd nach Kit und wird nicht so bald zurückkommen.«
»Und Mr. Livingstone? Wird er hierherkommen?«
»Bald«, versicherte sie ihm rasch, doch dann entschied sie sich, ihm reinen Wein einzuschenken. »Ehrlich gesagt, ich kann es nicht sagen. Ich bin losgegangen, um ihn herzuholen; aber er war nicht an dem Ort, wo er, wie ich ihm gesagt hatte, auf mich warten sollte. Ich weiß nicht, was passiert ist. Wahrscheinlich ist er nur einfach durch die Gegend gewandert. Sobald es mir möglich
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