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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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sie?
    Die einzige Erklärung war, dass Kit den Pfad verlassen hatte und irgendwohin ins Tal gegangen war. Ihn dort zu suchen, würde eine lästige Arbeit sein, und im Moment war sie nicht darauf vorbereitet, eine solche Suche durchzuführen. Sie blickte hinab auf den glatten, verzierten Gegenstand, der ihre Hand ausfüllte: die neue Ley-Lampe, die Rosenkreuz für sie hergestellt hatte. Obwohl sie in etwa die gleiche Größe und Form wie das Vorgängermodell besaß, wies sie einige Verbesserungen auf; und Mina freute sich schon darauf, dass sie die meisten davon bald ausprobieren würde. Der Hauptunterschied beim neuen Modell war eine zweite Reihe kleiner Lichter, die, wie man ihr gesagt hatte, in Gegenwart eines gesuchten Reisenden von Gelb zu Rot leuchtete. Der junge Alchemist hatte angeboten, die Funktionsweise des Geräts zu erklären, doch angesichts dessen, was alles los war, hatte sie dafür weder Zeit noch Lust gehabt.
    Jedenfalls war es ihr gelungen, dafür zu sorgen, dass Giles verbunden, medizinisch behandelt und versteckt worden war. Und Burleigh hatte nicht spitzgekriegt, dass sie mit den beiden Flüchtlingen unter einer Decke steckte. Lady Fayth, eine bereitwillige Komplizin, hatte ihr dabei geholfen – zwar unabsichtlich, jedoch zwangsläufig. Wenn Haven das volle Ausmaß von Wilhelminas Verwicklung gewusst hätte, wäre sie vielleicht nicht eine so eifrige Mitarbeiterin gewesen. Und wenn sich die Dinge anders entwickelt hätten, wäre Mina gezwungen gewesen, sich Kit und Giles auf der Flucht anzuschließen. Doch die junge Dame hatte Ruhe bewahrt und Wilhelminas riskantes Spiel voll und ganz unterstützt, als es darauf ankam.
    Nun warf Mina doch noch einen weiteren sehnsüchtigen Blick den Pfad hinunter. Anschließend stieß sie einen verärgerten Seufzer aus und rollte ihre großen braunen Augen, bevor sie den Pfad ins Tal hinuntertrottete. Als sie den Talboden erreichte, blieb sie stehen und rief nach Kit. Sie lauschte, dann wiederholte sie ihre Rufe. Überzeugt davon, dass er geantwortet hätte, wenn er in Hörweite ihrer Stimme gewesen wäre, ging sie weiter, bis sie schließlich zu dem kleinen, halb verlassenen Dorf kam.
    Die Siedlung war eine von mehreren, die offenbar von den Landbewohnern dieser Region gegründet und aufgebaut worden waren. Die wenigen Leute, die hier noch lebten, unterhielten Felder an den Flussufern und oben im Hochland. Der Fluss lieferte Wasser für eine Mühle, Ententeiche und ein kleines Fischereigewässer. Mina hatte einige der Bewohner schon getroffen, die sich wiederum daran gewöhnt hatten, sie hin und wieder zu sehen. Es waren einfache, friedfertige Leute, die für sich blieben und Konflikten und Konfrontationen aus dem Weg gingen – was der Grund dafür gewesen war, dass sich Mina wohlgefühlt hatte bei dem Gedanken, Kit und Giles hierherzuschicken. Es wäre unwahrscheinlich gewesen, dass sie bei den Einheimischen Schwierigkeiten bekommen hätten.
    Sie spazierte nun durch den Talgrund, wobei sie dem Fluss folgte, und rief immer wieder nach Kit. Doch sie erhielt nie eine Antwort. Nachdem sie eine Meile oder noch mehr in eine Richtung gegangen war, drehte sie um. Sie rief weiter nach Kit, während sie in die andere Richtung marschierte. Als sich die Dunkelheit herabsenkte, beendete sie ihre Suche und kehrte zum Ley zurück. Ein letztes Mal ertönte ihr Ruf nach Kit; sie forderte ihn auf, er solle sich beeilen, sonst würde er seine Rettung verpassen. Sie wartete. Aber wie zuvor erhielt sie keine Antwort.
    Sie drehte sich auf dem Absatz um, holte die Ley-Lampe hervor und verließ mit vier schnellen Schritten das Tal, um nach Hause zu gehen.
    Als Mina nach Prag zurückkehrte, war die Sonne bereits aufgegangen; ein weiterer Tag hatte begonnen. An den Stadttoren schloss sie sich der kleinen Prozession von Bauern an, die gerade von den Feldern kamen und in Schub-und Eselskarren ihre Erzeugnisse zum Markt brachten. Sie spazierte durch die Altstadt, als auf dem Platz die Tageshändler ihre Verkaufsstände errichteten; sie grüßte diejenigen, die sie kannte, und versprach, später zurückzukommen und etwas zu kaufen. Etzel öffnete gerade das Große Kaiserliche Kaffeehaus ; er öffnete die Fensterläden und zog die grüne Markise herunter, die sie entworfen hatte und deren Herstellung und Montage von Arnostovi in Auftrag gegeben worden war.
    »Guten Morgen, mein Lieber«, zwitscherte sie und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange.
    »Ah! Wilhelmina, du bist hier!«

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