Das Knochenhaus
und ganz Rechnung getragen. Er ging bei der weiteren Umsetzung seiner Pläne von folgender Prämisse aus: Sollte es passieren, dass jemand mithörte, wie sie beide miteinander redeten, würde der Lauscher schlichtweg schlussfolgern, dass die zwei irgendeinen walisischen Dialekt aus dem dreizehnten Jahrhundert sprachen, nicht jedoch modernes Englisch. Außerdem war Douglas darauf eingestellt, diesen falschen Eindruck auf verschiedene Weisen zu unterstützen, falls dies nötig sein sollte.
Um die unterschiedlichen Bedürfnisse des leiblichen Wohls befriedigen zu können, hatte er sich mit einem kleinen, persönlichen Vorrat an Silber und Gold ausgestattet. Beides bewahrte er in einem Ziegenlederbeutel auf, der in seiner Umhängetasche steckte. Das Edelmetall hatte er in winzige Barren und Stangen gießen lassen, wie dies in alten Manuskripten beschrieben wurde. Da man jedoch von gewöhnlichen Priestern nicht erwartete, dass sie viel an weltlichem Reichtum mit sich trugen, würde Douglas diesen Vorrat so aufbewahren, dass andere ihn nicht zu Gesicht bekamen, und nur bei Bedarf auf ihn zurückgreifen. Was die meisten Sachen anging, würde er sich auf die Gefälligkeit von Fremden und die Großzügigkeit von Mutter Kirche verlassen.
Und nicht zuletzt hatte er den Standort des Leys feststellen müssen, den sie für den Sprung ins mittelalterliche Oxford verwenden konnten. Anfänglich hatte dies ein unlösbares Problem dargestellt. Sosehr er sich auch bemühte, Douglas vermochte einfach keinen einzigen Hinweis auf einen Ley zu finden, der Oxford oder auch nur das mittlere Südengland im Mittelalter als Ziel aufwies. In keinem einzigen der Papiere und Bücher seines Vaters, in keiner einzigen der üblichen Quellen, denen er vertraute, wurde auch nur erwähnt, wo solch ein Ley gefunden werden könnte.
Zwar besaß er den Teil der Meisterkarte, den er aus Sir Henrys Truhe in der Krypta von Christ Church befreit hatte. Aber zurzeit war die Karte praktisch wertlos für ihn, weil sie in dem merkwürdigen Code seines Urgroßvaters verfasst war. Diese Symbole konnte er nicht entschlüsseln – und genau das war der Grund, weshalb er überhaupt bestrebt war, ins Jahr 1260 zu gelangen.
Douglas hatte bereits angefangen zu argwöhnen, das Problem wäre unlösbar, als er sich an Alfred Watkins’ Buch Der alte gerade Pfad erinnerte. Darin fand er nicht nur einen Hinweis auf einen Oxford-Ley, sondern außerdem eine einfache handgezeichnete Karte davon. Gewöhnlich hätte er nicht zweimal darauf geblickt. Denn Ley-Linien führen am Ende immer zu anderen Orten und Zeiten ... oder etwa nicht? Die Vorstellung, dass es an einer bestimmten Stelle einen Ley geben könnte, der diesen Ort mit seinem Gegenstück in einer anderen Dimension verband, war ihm niemals eingefallen.
Konnte es wirklich Leys geben, die sich mit sich selbst verbanden?
Er wusste es nicht. Doch es war eine Theorie, die sich sehr einfach überprüfen ließ. Alles, was er machen musste, war, den Oxford-Ley zu finden und ihn auszuprobieren. Und das tat er.
Eines Morgens vor Sonnenaufgang – und bevor der Verkehr die Straße quasi verschlang – ging Douglas mit einem Diagramm, das er aus dem Buch von Watkins kopiert hatte, hinaus auf die High Street. Er musste ein paar Fehlversuche hinnehmen, viel hin und her schreiten, mögliche Spuren zurückverfolgen und zahlreiche Ausfallschritte machen: Doch schließlich spürte er jenes Prickeln auf seiner Haut, durch das ihm angezeigt wurde, dass er einen Ley aufgefunden hatte. Nach ein oder zwei weiteren Versuchen gelang ihm eine erfolgreiche Überquerung – eine Tatsache, die er erst dann vollständig realisierte, als er die Kreuzung erreichte und die Fackeln sah, die draußen vor der Kirche Saint Martin brannten.
Douglas eilte zu der großen Straßenkreuzung, die er unter der Bezeichnung »Carfax« kannte. Dort blieb er stehen, um nach irgendeinem Anhaltspunkt zu suchen, aus dem sich möglicherweise das Datum seines aktuellen Aufenthalts in Oxford erschließen ließe. Die Gebäude waren zumeist die gleichen, die er gesehen hatte, doch entsprechend ihrem Zustand konnten sie noch nicht so alt sein, wie er sie kannte. Die Straßen waren nicht asphaltiert, sondern mit Kopfsteinen gepflastert; und an der Straßenecke verrotteten Misthaufen. Allerdings befand sich kein Mensch in der Nähe, und somit gab es auch keine Kleidung, aus der er irgendwelche Rückschlüsse hätte ableiten können. Vielleicht wäre es ihm möglich gewesen,
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