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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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und seinen Assistenten die erforderlichen Kostüme und Requisiten bereitstellten. Diesen Leuten hatte er erzählt, er würde für eine Aufführung eines der weniger bekannten Theaterstücke von Shakespeare – Cymbeline – vorsprechen: Dafür wolle er robuste, zweckdienliche Kleidung haben, die nicht nur authentisch aussah, sondern auch starker Beanspruchung standhielt, da er annehme, dass es viele Vorstellungen geben würde. Außerdem verlangte er verborgene Taschen, die in den großen Ärmeln und im weiten Saum der Kleidungsstücke versteckt sein sollten. Des Weiteren engagierte Douglas einen Mittelalterforscher vom Londoner King’s College für eine Reihe von privaten Unterrichts-und Übungseinheiten, um die Anredeformen und die wichtigsten Gebräuche und Gewohnheiten jener Zeit perfekt zu erlernen. Sorgfältige Einübung und unermüdliche Wiederholung hatten zu einer spielerischen Vertrautheit, wenn nicht gar zur vollständigen Beherrschung der Konventionen jener weit entfernten Zeit geführt – zumindest soweit dies mit einer Genauigkeit festgestellt werden konnte, die aus einer Distanz von ungefähr sechshundert Jahren möglich war.
    Die Kleidungsstücke und Verhaltensweisen waren freilich der leichteste Teil ihrer Aufgabe: Denn eine äußere Erscheinung konnte immer so gestaltet werden, dass sie – wie grob auch immer – einem annehmbaren Standard entsprach, und wenn es erforderlich war, ließ sie sich abwandeln. Die Kommunikation jedoch würde insofern sehr viel schwieriger sein, als sie unfehlbar die Gedanken und Denkweisen des Individuums und der Gesellschaft offenbarte, von der jedermann ein Teil ist; und beides verändert sich im Verlaufe der Zeit. Ein Geschäftsmann aus dem neunzehnten Jahrhundert dachte oder sprach nicht wie ein Bauer aus dem siebzehnten Jahrhundert – und noch viel weniger wie ein Priester aus dem dreizehnten Jahrhundert. Deshalb würde die Kommunikation mit einer lebenden Person aus einer entfernten Epoche extrem schwierig und anspruchsvoll sein. Zu diesem Zweck hatte Douglas drei Jahre mit dem Studium des mittelalterlichen Lateins zugebracht und war tief in diese Sprache eingetaucht.
    Glücklicherweise waren gerade jetzt Experten auf diesem geheimnisvollen Fachgebiet an der Universität dicht gesät. Daher hatte er keine Schwierigkeit, den Unbilden dieser Sprache nachzugehen, soweit sein eigener, nicht unbeträchtlicher Verstand es ertragen konnte.
    Auch hatte er sich große Mühe gegeben, eine unanfechtbare Geschichte zu erfinden, mit der sich jede offenkundige Unstimmigkeit oder jedes Versehen seinerseits erklären ließ – denn bei seinen Vorbereitungen hatten sich sicherlich Fehler eingeschlichen, die nicht vorhergesehen werden konnten, aber vor Ort zutage kommen würden. Und so hatten er sich selbst und Snipe diese Geschichte eingetrichtert, bis beide sie im Schlaf aufsagen konnten: Die zwei waren Mönche aus dem walisischen Kloster Tyndyrn und hatten die Reise nach Oxford unternommen, um bei Gelehrten Rat einzuholen. Sie suchten Antworten auf Fragen, die einige der Feinheiten verschiedener dogmatischer Sachverhalte betrafen, wie etwa der Transsubstantiation und der Engelhierarchie. Solche bäuerlichen Mönche, die in ihre Studien vertieft waren, verschlossen sich vor der Welt; und die aktuellen Moden und Ansichten waren ihnen im Großen und Ganzen unbekannt. Geistliche wie sie führten ein Leben in relativer Abgeschiedenheit, das frei von finanziellen Nöten war.
    Darüber hinaus setzte er sehr große Hoffnung darin, dass der durchschnittliche Engländer im Mittelalter – wie Douglas annahm – nur sehr wenige Informationen über die Welt jenseits der englischen Grenzen besaß. Aufgrund dieser Unkenntnis würden vermutlich sämtliche Anomalien, Unstimmigkeiten und Regelverletzungen, die man eventuell bei ihm selbst oder Snipe bemerkte, einfach der Tatsache zugeschrieben, dass sie Fremde in einem fremden Land waren.
    Snipe war natürlich das schwache Glied in der eng geschmiedeten Kette, die Douglas mit so großer Sorgfalt hergestellt hatte. Der junge Mann konnte selbst einfaches Englisch weder lesen noch schreiben, geschweige denn Latein. Und es war stets eine offene Frage, ob er noch nicht einmal die grundlegendsten Aspekte menschlicher Interaktion vollständig begriff oder ob er sich bloß nicht darum scherte, sich irgendeiner Form zivilisierter Unterhaltung anzupassen. So sah die Realität der Zusammenarbeit mit Snipe aus; und Douglas hatte diesem Sachverhalt voll

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