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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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loslassen. Erinnerst du dich, was ich dir über den Wind und den Regen erzählt habe?«
    »Ja. Der Wind wird kreischen und der Regen so stark sein, dass es sticht. Und ich werde einen Bums spüren.«
    »Einen Bums, ja. Wer hat dir das eigentlich erzählt?«
    »Mum.«
    »Sie hat recht. Wahrscheinlich wirst du einen Bums spüren – wie bei einem kleinen Sprung –, doch du brauchst dir deswegen keine Sorgen zu machen. Du wirst nicht fallen. Ich werde da sein und dich auffangen.«
    »Und ich werde mich nicht übergeben.«
    »Vielleicht wirst du es tun«, meinte sein Vater und legte sich den Riemen seiner Tasche über die Schulter. »Und wenn es dir passiert, dann ist es nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest. Übergib dich nur ruhig, dann wirst du dich besser fühlen.«
    Während er mit der Linken die Hand seines Sohnes fest umklammert hielt, hob Arthur den rechten Arm hoch über den Kopf. Er spürte das vertraute Prickeln des Kraftfeldes auf seiner Haut; die Haare auf seinen Armen und im Nacken richteten sich auf. In der Luft knisterte es, als ob ein Blitz sich ankündigte; und dichter Nebel fiel um sie herum zu Boden. Der Wind heulte von oben herab, als ob er aus weit entfernten, von einem Blizzard heimgesuchten Höhen nach unten stürzte.
    »Festhalten!«, schrie Arthur, der in den wirbelnden Mahlstrom der sich um ihn windenden Energien hineinbrüllte. Er hielt die Hand des Jungen noch stärker fest. »Fertig! Jetzt geht’s los!«
    Die vertraute Hügelspitze trübte sich ein, und der Regen prasselte in stechenden Sturzbächen seitlich herab. Arthur spürte, wie der Markierungsstein unter seinen Füßen verschwand. Doch diese Empfindung währte nur einen Augenblick – es war wie der Ruck zwischen zwei Schritten über einen holprigen Untergrund –, und dann erhob sich unter ihm der feste Boden eines neuen Landes.
    Es war geschafft.
    Das Heulen des Windes verklang, und der Regen hörte abrupt auf. Der Nebel lichtete sich. Der Hügel war verschwunden ebenso wie die Trolle und der graue englische Himmel – dies alles wurde ersetzt durch die milde Wärme und die gleißenden, heiteren Blau-und Goldtöne eines Wüstenmorgens. Sie standen im Zentrum einer Allee, die von kauernden Sphinxen gesäumt wurde. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Benedict auf die lange Doppelreihe von Statuen und die leere weiße Wüste und die kahlen Hügel dahinter.
    Er stieß einen Freudenschrei aus und flitzte los, besann sich aber sogleich und hielt an. Der Junge war weit davon entfernt, dass ihm durch das Erlebte übel wurde. Der stürmische, desorientierende Sprung über die Kluft der Dimensionen bereitete ihm eindeutig Vergnügen. Das war etwas völlig Neues für Arthur; vielleicht erlebten ja die ganz Jungen nicht die Auswirkungen von dem, was für ältere Menschen ein höchst unangenehmer Übergang war. Es hatte eine ganze Reihe von Reisen gebraucht, bis er sich schließlich an die widerwärtigeren Empfindungen gewöhnt hatte. Die eher nebensächlichen Unannehmlichkeiten, die bei einer extremen zeitlichen Versetzung auftraten, störten ihn nicht mehr länger.
    »Lass es uns noch mal machen«, zwitscherte Ben, der seine frühere Angst vollkommen vergessen hatte.
    »Wir werden es noch mal machen«, erwiderte Arthur. »Wenn es Zeit ist, nach Hause zurückzukehren. Doch jetzt werden wir erst einmal Anen besuchen.«
    »Ist das Ägypten? Es ist ganz schön heiß hier!«
    »Es ist sehr heiß.« Arthur öffnete die Umhängetasche und zog zwei leichte Leinentücher heraus. Er wickelte eines davon um den Kopf seines Sohnes, dann formte er für sich einen Turban. »So. Das ist schon besser.« Er streckte die Hand aus. »Los, komm. Wir sollten uns auf den Weg machen, bevor es sogar noch heißer wird. Wenn wir da sind, hat Anen sicherlich ein kühles Getränk für uns.«

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SECHZEHNTES KAPITEL

    E ngelbert faltete den Rand seiner Schürze um das heiße Backblech und zog eine Ladung neuer Muffins aus dem Ofen heraus. Anschließend drehte er sich um und schloss die Ofentür mit dem Schuhabsatz – eine geschickte und zugleich ziemlich originelle Bewegung, die Wilhelmina immer wieder aufs Neue amüsierte. Zu guter Letzt nahm er seine Bäckermütze ab und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht. Er blickte auf und bemerkte, dass sie ihn beobachtete.
    Etzel lächelte, sein pausbäckiges Gesicht war ganz rot von der Hitze. »Das sind die besten bislang, Liebste«, sagte er, während er das Blech auf den Tisch legte. »Unsere

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