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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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recht nicht, wenn sie es mit der Möglichkeit verglich, die sich ihr nun eröffnete: durch das multidimensionale Universum zu wandern mit seinem Angebot an unendlichen Welten, die nur darauf warteten, von ihr entdeckt zu werden. Da dies der Fall war, konnte sie sich mühelos tausend andere aufregendere Dinge vorstellen, als zu ihrer Wohnung zurückzukehren, um den Berg Werbemüll zu untersuchen, der sich auf der Fußmatte aufgehäuft hatte.
    Schokolade zum Beispiel!
    Wilhelmina war sich stets der Tatsache bewusst, dass sie, völlig unabsichtlich, den Kaffee in Prag eingeführt hatte und nun aus diesem glücklichen Zufall ein riesiger Gewinn für sie entstand. Sie besaß nicht nur eine Hälfte des ersten Kaffeegeschäfts in Böhmen, sondern war darüber hinaus Teilhaberin einer zunehmend erfolgreicheren Schifffahrtsgesellschaft, die sie mit Kaffeebohnen belieferte. Vor Kurzem war ihr der Gedanke gekommen, eine andere Art von Bohnen einzuführen: Kakao. Es kam nur darauf an, ihren wichtigsten Geschäftspartner, Arnostovi, zu überreden, ihr gemeinsames Importgeschäft auf andere Handelswaren, speziell Zucker und Kakaobohnen, auszudehnen – und wenn sich dies als gleichermaßen erfolgreich erwies, würde ihre Zukunft gesichert sein. Denn wenn sie sich ausreichend große Mengen von diesen beiden Gütern beschaffen könnte, wäre sie in der Lage, Schokolade herzustellen: eine Luxusware, die bis jetzt in Europa noch unbekannt war. Das Hauptproblem bei dem Projekt war, sich einen Vorrat an Rohmaterialien zu verschaffen. Hierfür würde sie eine Partnerschaft mit einer spanischen Schifffahrtsgesellschaft schmieden müssen. Das war ein recht kompliziertes Unterfangen, aber nicht unmöglich und wohl einen Versuch wert. Wenn sie an die Gewinne dachte, die aus der Einführung einer solchen Offenbarung fließen würden, waren selbst ihre bescheidensten Schätzungen geradezu astronomisch hoch.
    Es ließ sich einfach nicht absehen, wie reich sie durch ein Unternehmen wie dieses werden könnte. Und sobald sie frei wäre von den Zwängen, tagtäglich arbeiten zu müssen, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen, würde sie frei sein, um zu reisen und zu forschen. Und zudem würde sie natürlich noch Schokolade haben.
    Gedanken dieser Art gingen ihr durch den Kopf, während sie die frisch gebackenen Muffins auf einem Kühlregal abstellte. Genau in dem Moment, als sie diese Arbeit beendete und sich umdrehte, betrat ihr Verbündeter das Geschäft. Der Assistent vom Ersten Oberalchemisten des Kaisers trug sein übliches grünes Gewand mit dem Fuchspelzsaum und der purpurnen Stola; und sein Hut war geformt wie eine zerdrückte Tasche mit einer Krempe. Er setzte sich auf seinen Stammplatz – in der hintersten Zimmerecke direkt neben dem Kachelofen –, faltete die Hände und legte sie auf den Tisch. Sogleich eilte eine der Kellnerinnen zu ihm und nahm die Bestellung auf. Wilhelmina legte einen der frisch gebackenen Muffins auf einen Teller und ging damit zu ihrem Freund, um ihn zu begrüßen.
    »Grüß Gott, mein Herr«, sagte sie und hockte sich auf den Rand des Stuhles neben ihm. »Hier! Ich möchte, dass Ihr etwas probiert.« Sie setzte den Teller vor ihm ab. »Es ist eine neue Gebäckart, die wir einzuführen beabsichtigen – eine, die noch nie zuvor in Prag zu sehen gewesen ist.«
    »Grüß Gott, Jungfer Wilhelmina.« Er lächelte sie müde an, riss sich den Hut herunter und neigte höflich seinen Kopf. »Sehr interessant«, meinte er und betrachtete prüfend den gesprenkelten kleinen Kuchen. Mit der Fingerspitze berührte er einen der winzigen schwarzen Flecke.
    »Das ist Mohnsamen«, teilte sie ihm mit. »Sie schmecken gut. Ihr werdet sie mögen.«
    »Was auch immer das ist, ich habe keinen Zweifel, dass es sehr schön ist«, erklärte er, obschon er recht skeptisch auf den Teller schaute.
    »Was stimmt nicht, mein Freund? Ist etwas im Palast passiert?«
    »Oh, nichts von Belang«, beeilte er sich zu antworten. »Gerade jetzt bin ich sehr beschäftigt, und ...« Er sprach nicht weiter.
    »Und?«, hakte sie nach. »Fahrt fort, wir sind schließlich Freunde. Ihr könnt es mir ruhig anvertrauen. Was stimmt nicht?«
    »Es geht um diesen Mann – diesen Engländer! «, sprudelte es aus ihm heraus, als ob ein Druckventil plötzlich geöffnet worden wäre.
    Wilhelmina benötigte einen Augenblick, um zu begreifen, von wem er sprach. »Ihr meint Lord Burleigh?«, mutmaßte sie.
    »Den englischen Earl – ja, genau den. Er ist

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