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Das Knochenhaus

Das Knochenhaus

Titel: Das Knochenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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werden.«
    Xian-Li wandte sich von ihm ab und warf ihrer Hühnerschar eine weitere Handvoll Körner zu.
    »Er wird nicht alleine gehen«, fuhr Arthur fort und betonte dann etwas Selbstverständliches: »Kannst du dir auch nur einen Moment vorstellen, ich würde etwas Nachteiliges in seine Nähe kommen lassen?«
    Sie blickte finster, und ihre normalerweise glatte Stirn legte sich in Falten.
    »Xian-Li«, sagte er mit sanfter Stimme. »Es ist an der Zeit.«
    Sie seufzte und senkte zum Zeichen ihrer Unterwerfung den Kopf.
    Um ihre Sorgen zu beschwichtigen, fügte er hinzu: »Außerdem braucht er einige Erfahrung darin, wenn wir in Betracht ziehen, ihn mitzunehmen, damit er endlich deinen Vater und deine Schwester in Macao sieht.«
    »Du hast recht, Ehemann. Ich mache mir zu viel Sorgen. Aber wenn irgendetwas passiert –«
    Arthur fiel ihr ins Wort, bevor sie ihren Gedanken beenden konnte. »Ich weiß.«
    Seit ihrer Rückkehr nach England hatte Xian-Li die Leitung des kleinen Anwesens in die Hand genommen, das seit mehr als hundert Jahren im Besitz von Arthurs Familie war. Versteckt auf dem Lande in den Cotswolds, hatte sie sich ganz der Familie gewidmet und dafür gesorgt, dass sie, Arthur und der kleine Benedict ein schönes Leben führten – weit entfernt von den ablehnenden Blicken neunmalkluger Städter, die sie für ein Mitglied einer minderwertigen Rasse hielten. Für die Landbewohner von Oxfordshire war Xian-Li bloß eine seltsame und ein wenig exotische Neuheit, deren Gegenwart ihnen ein wenig Abwechslung brachte in ihrer oft nur trostlosen Alltagswelt. Als die Leute in den benachbarten Anwesen und Siedlungen sie kennengelernt hatten, akzeptierten sie den höheren Rang und Status, den Xian-Li aufgrund ihrer Familie einnahm, vor allem mit Blick auf Arthurs Gelehrsamkeit und Umgangsformen. Arthur hieß nach einiger Zeit nur noch »der Gutsherr«, und Benedict, den die Ortsansässigen liebevoll in »Ben« umbenannt hatten, wurde »der junge Gutsherr«. Der Junge war der ganze Stolz seiner Eltern – umso mehr, als Xian-Li und Arthur wussten, dass sie kein weiteres Kind haben würden.
    Später am Tage war Arthur an der Reihe, den kleinen Benedict ins Bett zu bringen, und er nutzte diese Gelegenheit, um ihm die gute Neuigkeit zu überbringen. »Morgen«, sagte er, »gehen wir auf eine Reise.«
    Ben schaute aufgeregt nach oben. »Gehen wir in die Stadt?«
    »Nein.« Sein Vater schüttelte den Kopf. »Wir fahren nicht nach Banbury oder Whitney oder gar Oxford. Wir gehen irgendwohin, das weit weg von England liegt.«
    »China!« Der kleine schwarzhaarige Junge richtete sich in seinem Bett auf.
    »Nein, nicht China. Nicht dieses Mal. Das ist eine schwierige Reise, und du musst dafür älter werden.«
    Ben legte sich wieder hin. »Wohin gehen wir denn?«
    »Nach Ägypten.«
    »Ägypten?«
    »Richtig. Erinnerst du dich, dass ich dir von meinem Freund Anen erzählt habe, der in Ägypten lebt?«
    Der Junge nickte.
    »Wir werden ihm einen Besuch abstatten.«
    »Und ich kann auch mitgehen?«
    »Ja«, versicherte ihm sein Vater. »Diesmal wirst du mit mir kommen. Es gibt viel zu lernen, und es ist an der Zeit, dass dein Unterricht beginnt.«
    Der Junge setzte sich wieder in seinem Bett auf und klatschte in die Hände. Sein Vater drückte ihn sanft nach hinten. »Wir müssen morgen sehr früh aufbrechen, und du musst dich vorher gut ausruhen. Jetzt sprich deine Gebete und puste dann die Kerze aus. Der Morgen wird früh genug kommen.«
    Als Arthur ihn am nächsten Morgen wecken wollte, fand er seinen Sohn bereits wach und vollständig angekleidet vor, mit zusammengeschnürtem Hemd und zugeschnallten Schuhen. »Du siehst wie ein richtiger Reisender aus«, lobte Arthur ihn. »Hast du überhaupt in der letzten Nacht geschlafen?«
    Ben nickte. »Brechen wir jetzt auf?«
    »Genau in dieser Minute«, antwortete sein Vater. »Die Kutsche steht bereit. Wir können unser Frühstück essen, während Timothy uns fährt.« Er steckte die Hemdzipfel des Jungen in die Hose und zog seinen Gürtel fest. »Jetzt lauf und gib deiner Mutter zum Abschied einen Kuss. Dann zieh deinen Mantel an. Wir treffen uns draußen auf dem Hof.«
    Ben rannte die Treppe hinunter; seine Füße trampelten beim Laufen heftig auf die Holzdielen. Arthur holte seinen Mantel und seinen Hut und folgte Ben nach draußen. Auf dem Hof erwartete ihn nicht nur sein Sohn, sondern auch Xian-Li; in ihrer Hand hielt sie eine Provianttasche. Arthur gab ihr einen Abschiedskuss und

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