Das Koenigreich der Luefte
immer jeden Irrnebler, der will, in Sicherheit führen.«
»Tu einfach, was du glaubst, tun zu müssen. Aber halte dir vor Augen, wenn du es versuchst, dass es nicht nur die Dunkelheit hinter den Mauern der Welt ist, der du gegenüberstehst«, sagte Oliver.
»Das bist nicht du«, wiederholte die Beobachterin. Ihr Körper begann zu beben und schüttelte sich so sehr, dass er nicht mehr klar zu sehen war. Das war nicht das sanfte Verblassen, das Oliver zuvor erlebt hatte. Sie veränderte sich, die Lichtkugeln leuchteten warnend auf. Flehend streckte sie die Hände nach ihnen aus. »Haltet sie auf ich habe noch Zeit – ich muss –«
Ihre Gestalt wurde größer, veränderte sich, aus einer Puppe wurde ein Schmetterling. Selbst ihre Lichter mutierten, wurden von hellen Kugeln zu bösartigen Klumpen aus Stacheln, die in schnellen Schwüngen um ihren neuen Herrn rotierten. Er war wie der Schatten eines Bären, dem man Leben verliehen hatte. Keine Gesichtszüge, nur eine schwarze Masse zweibeiniger Dunkelheit. Ein einziges rotes Auge wie eine Linie zerschnitt seinen Kopf, und er wandte sich Oliver in seiner Zelle zu. Seine Sinne strömten über Oliver hinweg und streckten sich in einem Bruchteil von Sekunden über Tausende von Meilen aus.
»Du bist es, oder nicht?«, sagte der Schattenbär. »Sie hatte verdammte tausend Jahre Zeit, und du warst das Beste, das sie zusammenstoppeln konnte. Es ist ein Wunder, dass ich nicht früher gerufen wurde.«
Die Worte der Beobachterin, damals auf dem kalten Moor, hallten in Olivers Kopf wider. »Dann werde ich entfernt, Oliver. Keine Nägel mehr. Keine Schadensbegrenzung. Dann wirst du etwas sehr Gefährlichem zugeteilt, das eine sehr kurze Reißleine hat.«
»Die Reißleine, nehme ich an?«, fragte Oliver.
Der Schattenbär starrte in der Zelle umher, aber sein Blick erstreckte sich über Länder. »Was für ein verdammtes Durcheinander. Du hast dich überhaupt nicht um den Laden gekümmert, was?«
Oliver lachte, und die Eigenwilligkeit dieses Geräuschs hallte durch das erstarrte Zeitfenster. »Was im Namen des Zirkels weißt du denn vom Leben in der Realität?«
»Das ist etwas Neues«, antwortete der Schattenbär. »Kein Wunder, dass du sie dermaßen irritiert hat, mich dazuzurufen, aber es reicht nicht annähernd aus, um dich zu retten. Vertraulich gesagt: Wenn ich in deiner Lage wäre, würde ich durch den Rattentunnel verschwinden, den sie das letzte Mal gelegt hat, als es hier Ärger gab.«
Das Wesen richtete zornig den Finger auf Oliver. »Ich wurde für das hier gemacht. Wenn ihr Kleckse aus Wasser und Fleisch hier alles glücklich in Grund und Boden geritten habt, dann werde ich vielleicht sogar ein Weilchen warten, bevor ich hier jeden Fleck zerstöre, nur, damit ich ein bisschen länger mit dem Feind spielen kann. Es ist verdammt lange her, seit ich ein bisschen Spaß hatte.«
Oliver brachte sein Gesicht bis auf einen Zoll an die unbestimmbare Silhouette des Schattenbären heran. »Dann reiß dich am besten schnell los, du kleine Reißleine. Ich könnte mir vorstellen, dass du noch unheimlich viel zu tun hast.«
Der Schattenbär schüttelte angeekelt den Kopf. »Mann, da hat sie sich aber mit einem echten Eingeborenen eingelassen.«
Das Wesen verschwand, als sei es nie da gewesen, und die Zeit begann wieder zu fließen.
Es gab Augenblicke, in denen der Schmerz so heftig war, dass er nicht einmal mehr wehtat – wenn das brennende Feuer, das Mollys Haut versengte, heiß genug wurde, damit ihr Leid die Fähigkeit ihrer Nerven überstieg, ihr die Qual zu übermitteln. Diese kurzen Pausen kalter Ruhe wurden unterbrochen, wenn das steinerne Kreuz, an das man sie geschnallt hatte, ihr gestaltloses Aufsteigen spürte und das Schmerzmuster änderte, eine Reihe tanzender, durchbohrender Stacheln daraus machte oder den zerschmetternden Griff eines Berges, der sie zerquetschte. Diese ebenholzschwarze Steinplatte war so schlau. Sie merkte, wenn Mollys Verstand kurz davor war, sich in schizophrene Splitter aufzulösen, um sie vom reißenden Strom des Leids zu isolieren. Sekunden, bevor ihr Verstand zusammenbrach, schaltete sich das Kreuz plötzlich ab und ließ zu, dass ihre Sinne durch die warme Luft in der Höhle trieben und nichts anderes zu beobachten fanden als das Spiel der chimecanischen Laternenkristalle, die im Rhythmus des aufwallenden Erdenflusses heller oder dunkler wurden.
»Es heißt, dass man danach süchtig werden kann«, sagte Tzlayloc. Wie lange stand er
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