Das Koenigreich der Luefte
sie in Quatershift aus ihrem Land vertrieben, und die Eindringlinge würden nun einen Blutpreis dafür zahlen müssen, dass sie versucht hatten, ihre Säuberungsaktionen in Jackals zu wiederholen.
Oliver blickte über das Brückengeländer und sah, dass der Kahn des Kommodore den wässriggrünen Schaum auf dem Gambleflowers hinabtrieb, ohne dass die Soldaten auf der Brücke davon Notiz nahmen. Er zögerte nicht, sondern rutschte auf dem Pferderücken weiter nach vorn und ergriff die Zügel, dann trieb er das Tier mit den Hacken aus dem Gedränge heraus. Oliver galoppierte an einem Klüngel verwundeter Soldaten der Dritten Brigade vorbei, die von ihren Landsleuten weggebracht wurden, wandte dem Kampf den Rücken und ritt zur Stadt hinüber. Schon bald war er im Herzen Middlesteels angelangt, die Fenster vereist und dunkel; die wenigen Menschen, die auf den Straßen waren, um nach Nahrung zu suchen, verschwanden sofort, wenn er des Weges kam.
Oliver flüsterte dem Pferd etwas zu, wobei er die Sprache der Fahrenden verwendete, die ihm plötzlich in den Kopf kam, und die Stute beschleunigte ihren Galopp. Er roch die Irrenanstalt von Hawklam, bevor er sie sah, den Brandgestank des Fluchwalls auf dem Berg, und die Luft schimmerte, als Schneeflocken auf ihren Schild rieselten. Zunächst war die Anstalt von einer normalen Mauer umgeben, damit die Bürger Middlesteels nicht irrtümlich in die Barriere der Weltensänger gerieten. Dabei war das im Grunde kaum nötig. Wer von dem bösartigen Pfeifen, das sie verursachte, nicht abgestoßen wurde, war vermutlich ohnehin schon jenseits von Gut und Böse. Oliver ließ seine Wahrnehmung durch das Tor der Anstalt wandern, und seine Sinne fächerten sich weit über Hawklam Hill auf, aber er merkte schnell, dass ihm die nötige Kontrolle fehlte und sich viel zu sehr auflöste, auseinandergezogen wurde. Um Konzentration bemüht, riss er sich zusammen und fügte das Puzzle seines Bewusstseins wieder zu seiner alten Form. Er hatte die Weltensänger drinnen berührt und ihren Verstand geschmeckt, die kleinen Unterschiede gespürt. Der jackalianische Orden war durch Zauberer aus Quatershift verstärkt worden. Ihre Beherrschung des Weltengesangs bot eine Gemeinsamkeit, die größer war als alle Unterschiede, die sich durch Nation, Politik und Rasse ergaben. In ganz Middlesteel kämpften Jackalianer für ihre Freiheit, aber hier ging alles seinen gewohnten Gang. Die wilden Irrnebler mussten in Schach gehalten werden, darüber waren sich beide Seiten einig.
In seinem Zorn war Oliver nicht aufgefallen, dass er über den Grenzzaun geklettert und durch den Fluchwall geschritten war, wobei er ein Loch in der schimmernden Barriere zurückließ. Er fühlte das Pochen der Kraftlinien in den Knochen der Erde; sechs starke Strömungen der Macht kreuzten sich unter der Spitze von Hawklam Hill. Dieser Hügel war ein Ort der Macht und des Aberglaubens gewesen, seit Jackalianer in diesen Landen lebten. Uralte Religionen hatten hier stehende Steine errichtet, Blut vergossen, den Tanz der Sterne beobachtet und Kriegsherren begraben. Ein so starker Erdenfluss, so viel Macht.
Der Haupteingang der Anstalt bestand aus einer Stahlplatte, die so dick war wie der Rumpf eines Tauchboots der Kriegsflotte; man hatte Hawklam versiegelt, als die Invasion begann. Keiner der Irrnebler sollte während der Kämpfe entfliehen können.
Oliver klopfte mit dem Griff seines Zaubermessers an die Tür, ein Sehschlitz öffnete sich, und die Rillen eines mannshohen Portals innerhalb der größeren schwarzen Barriere zeichneten sich ab.
»Wie sind Sie den Hügel heraufgekommen?«, verlangte eine Stimme zu wissen. »Das Torhaus hat niemanden durchgelassen.«
»Wem dient ihr?«, fragte Oliver.
»Was?« Die Stimme auf der anderen Seite klang verwirrt.
»Ich wüsste das gern«, sagte Oliver. »Der Orden der Weltensänger diente erst den alten Königen, dann dem Haus der Hüter. In Quatershift diente er zunächst der Monarchie, dann der Gemeinwohlvertretung. Daher frage ich nun, gibt es jemanden, an den ihr Dreckskerle euch nicht verkaufen würdet, um eure Privilegien und Positionen zu erhalten?«
Ein Wärter schubste den diensthabenden Weltensänger von der Tür weg und blickte nun selbst durch das Guckloch. »Hau ab, du kleiner Idiot. Wenn du mich zwingst, dieses Tor zu öffnen, dann werde ich dich durchprügeln, bis du nicht mehr weißt, wer du bist, und dich dann wieder auf die Straße werfen.«
»Ich gebe euch eine
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