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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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beschmutzt war dank der Enge, in die ein Jackalianer nicht einmal einen Straßenköter hätte sperren wollen. Es waren alte Männer, Familien und Kinder, deren Privatschuluniformen nach den Wochen, in denen sie in ihnen gelebt und geschlafen hatten, stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Am seltsamsten war, wie ruhig sie sich verhielten. Sie standen einfach da, hatten aufgegeben. Wieso waren sie nicht zornig? Sie waren die Hochwohlgeborenen dieser Stadt, gewöhnt an feines Essen und die besten Unterkünfte, die Middlesteel zu bieten hatte. Nun waren sie nur noch ausgemergelte Gestalten, deren Lebensfunken nicht einmal mehr dafür ausreichte, eine Träne über das eigene Schicksal hervorzubringen.
    Soldaten öffneten die Käfiggitter und schubsten die dreckigen Gefangenen vor sich her, damit sie sich vor dem geduckten Gebilde aufstellten. Hinter ihr sprach der Vorarbeiter ihrer Kompanie mit einem Hervorragenden. Als sie ihr Gespräch beendet hatten, kam er zu Damson Davenport und sonderte sie aus dem Team aus, das den Wagen zog. »Du hältst die Wagen auf, Landsmännin. Noch bist du nicht an deine schöne neue Form gewöhnt, daher habe ich beschlossen, dir gegenüber mildtätig zu sein. Du wirst für den Rest des Tages am Kessel des Kragens arbeiten.«
    Des Kragens? So sah dann also ein Gideonskragen aus. Er führte sie zur Mitte des Platzes, zu dem Ofen, der auf der Rückseite der Konstruktion geschürt wurde. Aus dem Inneren hörte sie das Knacken der Bolzen, die abgeschossen wurden. Einer alle fünf Sekunden. Schnell, schmerzlos, human. Ganz klar das Produkt einer fortschrittlichen Gesellschaft. Damson Davenport sah auf den Brennstoff, den die gleichgemachten Arbeiter in den Hochofen schaufelten. »Das sind Bücher, Landsmann Koordinator.«
    »Die Kohleversorgung geht zur Neige, Landsmännin Davenport«, sagte der Vorarbeiter und deutete auf den Schnee. »Deine Sorge ehrt dich – aber die Bücher sind eine angemessene Brennstoffquelle, und du wirst keine Exemplare von Gemeinwohl und das gemeine Volk darunter finden.«
    Natürlich gab es für das Land jetzt nur noch ein einziges Buch. Sie nahm die Schaufel, die ihr der Vorarbeiter reichte, und stellte sich zu den anderen, die nun Bücher in die Flammen der Brennkammer beförderten. Die Hitze des Ofens spürte sie nicht, aber schließlich hatte sie auch die Kälte nicht gefühlt; sie wusste, welche Temperatur herrschte, denn das konnte ihr Körper ihr durchaus verraten. Sie fühlte es nur einfach nicht. Die durchdringenden Schreie, die vom Kreuz herabschallten, ließen sie beinahe eine Schaufel Papier in den Schnee kippen. »Wer ist das?«
    Einer ihrer Arbeitskollegen drehte seine Sprechvorrichtung in ihre Richtung. »Der König.«
    »Der König? Aber der ist doch tot, oder nicht?«
    »Der neue König.«
    »Ach, du liebe Güte.« Sie sah zu der entfernten Gestalt, die sich am Kreuz wand. Irgendwie hatte sie wohl die Krönungsfeier verpasst. Zu Hause hatten sich alle so darauf gefreut – sie hatte sich sogar wochenlang ein kleines Lager mit verdorbenem Obst in ihrem Zimmer angelegt, damit sie am Krönungstag ein paar Wurfgeschosse haben würde. Bitter enttäuscht fuhr sie fort, die Feuer für den Gideonskragen zu schüren.

24
     

     
     
     
    Die Reiter schleuderten Glasgranaten, die gegen die Barrikaden auf der Brücke krachten, und die Pferde flogen pfeilschnell über den Kordon zu jenen hinüber, die bereits die Linie der Bajonette überwunden hatten. Oliver ließ seine Klinge hinabsausen, und das zauberschwere Messer verwandelte sich in das perfekte Abbild eines geschwungenen Säbels. Die Hexe vor ihm schlug mit einer Peitsche aus Feuer nach dem nächsten Soldaten der Dritten Brigade. Oliver duckte sich unter der Gewehrkugel hinweg, die auf seinen Kopf zugeflogen kam, riss eine Pistole aus dem Gürtel und erschoss den Schützen. An seiner Linken wehrte er ein Bajonett mit der flachen Klinge seines Säbels ab und trat dann heftig mit dem Stiefel zu, um den Soldaten zu Boden zu schicken.
    Es war seltsam, vom Pferderücken aus zu kämpfen. Allein das Gewicht des Sechsers löste Angst in den Herzen der Soldaten aus, die vom Boden aus kämpfen mussten. Aus dieser Höhe war es leicht, abwärts zu schlagen und zu stechen, aber gleichzeitig geriet er dadurch auch mehr in die Schusslinie. Mit einem rachelüsternen Schrei stürzte sich die Hexe der Fahrenden vom Pferd und kam wie ein flammender Komet auf das Durcheinander herab. Die Gemeinwohlvertretung hatte

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