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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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würdest. So, wie sich die Dinge in Jackals in den letzten Wochen entwickelt haben, hätte ich mich vielleicht tatsächlich für die Trollbrücke der Hohen Frau der Lichter und für den Irrnebel entschieden.«
    Als der Flüstermann aus seiner Zelle trat, schien sein deformiertes Äußeres in der Luft des Anstaltflurs anzuschwellen, und er wurde stärker, als er die Zauberfelder hinter sich ließ, die ihn von der Macht der Erde abgeschnitten hatten. »So ist es besser. Sie werden mich nie wieder fangen, Oliver. Ich bin nicht mehr der Junge, den mein Vater unten am Fluss für eine Flasche Jinn verkauft hat. Ich bin auf eine Weise gewachsen, die sie sich überhaupt nicht vorstellen können.«
    Oliver trat durch die kleinen Wellen in der Luft und merkte, dass die Zellenwände sich bewegten und verdrehten, als der Flüstermann die Stärke der Kraftlinien in seine abnormale Gestalt saugte. »Du hast deine Freiheit, Nathaniel. Jetzt wollen wir nur dafür sorgen, dass es eine Welt gibt, in der du sie auch genießen kannst.«
    »Wir werden es im Osten austragen, Junge«, zischte der Flüstermann. »In der letzten Nacht ging ich in den Träumen von Tausenden von Dampfmännern um. Die Armee von Mechanzia ist kampfbereit. Es war das metallische Leben, das die dunklen Götter beim letzten Mal niederwarf, und nun gibt es noch ein paar außerordentliche, uralte Rechnungen zu begleichen.«
    Oliver dachte an das Volk in den Bergstädten, und Bilder seiner Reise und von Dampfhieb vermischten sich mit schattenhaften Erinnerungen anderer Fahrten durch den Freistaat – manche als Feind, gejagt, andere als Freund –, wie er an Deck eines Aerostaten stand und die Bergspitzen aus den Wolken herausschauten.
    »Geht es dir gut?«, fragte der Flüstermann.
    »Mein Kopf ist so voll, manchmal fällt es mir schwer zu denken.«
    »So lernte ich am Anfang, mit Träumen umzugehen, weil die Alpträume des halben Landes in meinen Schlaf einsickerten. Du musst lernen, es zu gebrauchen.«
    »Das versuche ich, Nathaniel.«
    Die zwei gingen den Weg zurück, den Oliver durch die dunklen, dreckigen Anstaltflure genommen hatte, und die unmenschlichen Wesen hinter den Fluchwällen spürten Olivers Anwesenheit. Einige waren die reine, lebendige Wut, und sie warfen sich mit ihrem Verstand gegen die Mauern ihrer Zelle, andere waren dunkle, grüblerische Wesen, die schweigend und kalt wie Spinnen auf etwas warteten, das sich in ihrem Netz verfing. Beinahe verstand er, wieso der Orden der Weltensänger darauf bestanden hatte, die Irrnebler mit einem Bändigerring zu versehen oder einzusperren. Manche dieser Geschöpfe glichen eher einer Naturgewalt. Den menschlichen Teil ihres Verstandes hatte der Nebel geschluckt, und sie steckten nun in einem Körper, der schon halb für das seltsame Leben hinter der Irrnebelwand entwickelt war, sich der Gewalttätigkeit ihrer Existenz hier in Jackals kaum bewusst. Dann erinnerte sich Oliver jedoch daran, dass der Orden auch ihn hier hatte unterbringen wollen, dass die Weltensänger seinen Verstand und seinen Körper hatten auseinandernehmen und aufbrechen wollen wie die Überreste eines Zirkeltag-Bratens in Seventy Star Hall. Sein Verständnis für die Unternehmungen des Ordens schwand sofort wieder.
    Als sie weitergingen, begann sich der Körper des Flüstermanns weiter zu verändern. Die Arme zogen sich in sein Fleisch zurück, knubblige Knochen wurden flach und eben unter weicher Haut, das haarige Fell ging nur noch bis zu seinem Haaransatz. Der Flüstermann war verschwunden, und an Deiner Stelle stand ein hochgewachsener Krieger mit kurzgeschnittenem, goldenem Haar, der eine seltsam altmodische Uniform trug und sich einen kurzen, braunen Umhang mit Pelzbesatz über die linke Schulter geworfen hatte.
    »Ich bin noch da, Oliver. So hätte ich ausgesehen, wenn der Irrnebel in meinem Dorf nicht aufgestiegen wäre.« Der Flüstermann berührte sein neues Haar. Selbst seine Stimme klang nun ganz normal, anders als das scharfe Zischen, das jenes verzerrte, irrvernebelte Loch hervorgebracht hatte, das ihm sonst als Mund diente. »Wahrnehmung ist allein eine Sache des Verstands, und Gedanken sind ein so flüchtiges Ding.«
    »Deine Uniform ist auffällig unmodern.«
    »Sie stammt aus dem einzigen Buch, das ich besaß, bevor ich hier eingekerkert wurde. Duellanten am Hofe von Quatershifi – es war das Kostbarste, was ich besaß. Mein Vater hatte es mir in einer seiner nüchternen Wochen gekauft, und von denen gab es nicht viele.

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