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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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Decken. Molly starrte zu einem der Bündel auf dem Boden und wagte kaum, es umzudrehen. Schließlich tat sie es doch. Rachaels kalte tote Augen sahen zu ihr hinauf.
    »Rachael.« Molly gab ihr einen Stoß. »Rachael, wach auf!«
    Sie wachte nicht auf.
    Wer hatte das getan? Die ganze Welt war verrückt geworden. Meuchler brachen in Freudenhäuser ein. Und hier, im Arbeitshaus von Sun Gate, nun dasselbe Morden.
    »Molly.« Eine Stimme erklang aus der Wäschetruhe. Etwas regte sich unter den Decken. Es war Ver’fey, die junge Craynarbierin. Sie war verletzt; eine der orangefarbenen Schalen ihres krebsähnlichen Panzers war an der Schulter zerschmettert.
    »Ver’fey! Deine Schulter …« Molly lief zu ihr hinüber. »Beim großen Zirkel, was ist hier passiert?«
    »Männer«, stieß die Craynarbierin hervor. »Sie waren angezogen wie Presser vom neunten Bezirk, aber es waren keine Konstabler, das erkannte ich sofort.«
    Sie wusste, wovon sie sprach. Die Polizei von Middlesteel bestand zur Hälfte aus Craynarbiern, die wegen ihres harten Exoskeletts als Soldaten und Bewahrer des Parlamentsfriedens bestens geeignet waren.
    »Sie haben das hier getan?«
    »Sie haben nach dir gesucht, Molly.«
    »Nach mir?«
    Ver’fey lehnte sich erschöpft gegen den Truhenrand. »Rachael hat ihnen gesagt, dass dich der Büttel irgendwo hingeschickt hätte, aber er hatte uns anderen nicht verraten wollen, wo du steckst. Er hat nur gesagt, du wärst endlich dort hingekommen, wo du hingehörst. Einer der Männer glaubte wohl, dass Rachael log, und er fing an, sie mit seinem Schlafenden Heinrich zu traktieren. Sie haben sie vor unseren Augen einfach totgeschlagen. Wir haben versucht, sie aufzuhalten – dabei haben sie mir dann das hier verpasst.« Sie deutete auf den gebrochenen Schulterpanzer.
    »Wo sind denn die anderen alle?« Molly sah sich im Schlafsaal um.
    »Sie haben sie mitgenommen«, schluchzte die Craynarbierin. »Alle. Auch die Jungs.«
    »Warum?«, fragte Molly. »Was wollen sie denn nur von uns?«
    »Frag dich lieber, was sie von dir wollten. Du warst es, die sie gesucht haben. Was hast du nur getan, Molly?«
    »Nichts, was ihr anderen nicht auch getan hättet«, fauchte Molly. »Das macht alles überhaupt keinen Sinn.«
    »Vielleicht hat es was mit deiner Familie zu tun?«
    »Mit welcher Familie?«, gab Molly zurück. »Ihr seid meine verdammte Familie.«
    »Deine Blutsfamilie«, sagte Ver’fey. »Vielleicht ist sie reich. Reich und mächtig genug, eine Schar Meuchler zu beauftragen. Ein Vater vielleicht, der rausgekriegt hat, dass er einen ungewollten Bastard gezeugt hat, und jetzt die Erbfolge regeln will.«
    Molly verzog das Gesicht. Unter den Regeln der Erbfolge verstand man im jackalianischen Sprachgebrauch, ein ungewolltes Kind auf der Schwelle des Armenhauses abzulegen. Ver’feys Theorie klang durchaus plausibel. Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben gewollt gefühlt, aber das hier schlug dem Fass den Boden aus. Vielleicht hatte ihre Mutter sie letztlich sogar aus Liebe im Sun Gate abgeliefert, aus Angst davor, was passieren mochte, wenn ihr Vater herausfand, dass ihrer Verbindung ein Bastard entsprungen war.
    »Komm schon, Panzerchen.« Molly half Ver’fey aus ihrem Versteck. »Sie haben sich verzogen. Wir tun das am besten auch, bevor noch jemand zurückkehrt.«
    »Du könntest mit mir nach Shell Town kommen«, sagte Ver’fey. »Und dich da verstecken.«
    »Wenn du mir nicht einen Panzer und ein zusätzliches Paar Arme besorgen kannst, werde ich in Shell Town auffallen wie ein bunter Hund. Und du wärest in jeder Minute, die ich bei dir bin, in Gefahr.«
    »Aber wo kannst du denn dann hin?«, fragte Ver’fey.
    »Der Büttel hat immer schon gesagt, dass ich eines Tages in der Gosse landen würde. Ich werde es tatsächlich so machen und in die Unterstadt verschwinden – und versuchen, Grimhope und die Geächteten zu finden.«
    »Das ist zu gefährlich, Molly«, sagte Ver’fey. »Hast du überhaupt eine Idee, wie man in die Unterstadt gelangt?«
    »Die habe ich tatsächlich«, antwortete Molly. »Erinnerst du dich nicht mehr daran, dass Rachael einmal für die Atmosfährbehörde gearbeitet hat?«
    »Doch! Am Hüter-Rathbone-Bahnhof.«
    Der Hüter-Rathbone-Bahnhof war die größte Endstation des Atmosfährnetzes für die Arbeiter aus Sun Gate. Tausende von Schreibern und Kratzern fuhren den ganzen Tag mit den Röhrenkapseln durch die Tunnel, und große Dampfmaschinen sorgten dafür, dass ein luftleeres Vakuum

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