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Das Koenigreich der Luefte

Das Koenigreich der Luefte

Titel: Das Koenigreich der Luefte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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deutete aus dem Fenster in die Nacht – das Stöhnen drang aus dem Garten herauf und kam gar nicht von dem Mädchen. Ein Husten aus einem der Schlafzimmer lenkte Molly kurzzeitig ab; jemand anderes im Haus erwachte ebenfalls. Sie warf einen Blick zurück; die Erscheinung war verschwunden. Vorsichtig schritt sie weiter voran, drückte das Gesicht gegen das kalte Glas und blickte hinaus auf den Rasen.
    Schlitzarm stand wie ein steinerner Löwe vor Tock House Wache, während Nickleby über das Gras wankte. Es war der Reporter, von dem der unmenschliche Schrei ausging, und er reckte die Arme flehentlich gen Himmel. In der rechten Hand hielt er eine Wasserpfeife aus Kristall, und Nuschelrauch drang wie grüner Nebel aus dem Mundstück in die kalte Nachtluft. Ihm folgten zwei von Kupferspurs eisernen Kobolden, und die Drohnen versuchten, den Journalisten dazu zu überreden, wieder ins warme Haus zurückzukehren, zerrten und klammerten an seinem Schlafanzug.
    Eine Hand legte sich auf Mollys Schulter, und sie schrie auf und fuhr zusammen.
    »Molly, ich bin es nur«, sagte der Kommodore. »Da hat dich der Lärm also auch geweckt.«
    »Ja. Was passiert da unten? Silas Nickleby tanzt auf dem Gras herum und ist nicht mehr recht bei Verstand, so wie es aussieht.«
    »Wieder im Blahatt-Rausch. Das ist schlimm. Armer Silas. Ein kleiner Zug kann einen Menschen vor dem Zubettgehen beruhigen und böse Träume fernhalten, aber er raucht verdammt noch mal zu viel, auf der Suche nach völligem Vergessen, so wie man es im Süden tut.«
    Nickleby war nun halb auf dem Gras zusammengebrochen. Kupferspurs winzige Helferlein versuchten, ihn wieder aufzurichten und traten dabei mit ihren vogelartigen Eisenfüßen durch die Flüssigkeit, die aus der Wasserpfeife auf den Rasen geflossen war. Molly wurde sich plötzlich der Tatsache bewusst, dass der Reporter sowohl in der pferdelosen Kutsche als auch im Miniatur-Aerostat stets eine Nuschelrauchpfeife griffbereit gehabt hatte.
    »Blahatt für ’nen halben Penny, alles im Lot, Blahatt für zwei Pennys, und du bist tot«, wiederholte Molly ein altes Sprichwort aus den Jinn-Kneipen.
    »Ach, Molly«, seufzte Black. »Du weißt ja nicht, was der Mann alles gesehen hat. So viel Schrecken.«
    »Sie meinen, die Pitt-Hill-Morde?«
    »Nein, die meine ich nicht, meine Kleine, obwohl ich nicht bezweifle, dass auch das einem Mann den Magen umdrehen kann – die armen toten Mädchen. Nein, ich sprach von seiner Zeit im Krieg.«
    »Gegen Quatershift?«, fragte Molly. »Er hat erzählt, dass er bei der Marine war, aber als Tintenkleckser – ich dachte, er hätte für Greenhall Propagandatexte verfasst oder so was.«
    »Er war bei der Genialgruppe, Molly. Mit den ganz, ganz schlauen Jungs von den acht großen Universitäten, dem Orden und dem Militär. Strategie, Psychospiele und schwarze Hexerei. Silas zählte zu den Besten, er war ein Meister der Kistenkamera und ein kreativer Kopf. Sie haben ein paar großartige Nummern abgezogen, aber wirklich … haben kodierte Nachrichten der Gemeinwohlvertretung mit den großen Maschinen in Greenhall geknackt und gefälschte Briefe an Familien aus Quatershift geschrieben, die angeblich von Gefangenen stammten, die jedoch an der Front gefallen waren. Haben den Shiftern erzählt, wie gut sie in Jackals behandelt wurden, wie unmenschlich die Offiziere des Komitees gewesen seien – und von den Scheußlichkeiten berichtet, die man sie zu tun gezwungen hatte. Silas war ebenso sehr gut im Fälschen wie in der Herstellung der eigentlichen Aufnahmen.
    Die Genialgruppe fälschte zum Beispiel Daguerreotypien des Ersten Komitees, die nun zeigten, wie die Mitglieder Orgien veranstalteten, mit nackten Freudenmädchen auf den Tischen als Dessert. Die Dock Street druckte diese Bilder, und unsere Aerostaten warfen sie in der Nähe der Front ab. Stell dir mal vor, meine Kleine, du wärst ein carlistischer Soldat, der bei Rinnsals im Dreck liegt, und du wüsstest, dass deine Familie zu Hause auf dem Hof beinahe verhungert, und dann siehst du die großen Anführer, wie sie aus dem Vollen schöpfen und sich gegenseitig Wein in die Kehlen gießen. Die zwangsverpflichteten Regimenter der Brigaden hatten nicht mehr viel Mumm in den Knochen, nachdem die Genialgruppe ihren tödlichen Spaß mit ihnen gehabt hatte.«
    Unten im Garten hatte sich Nickleby vor dem sphinxhaften Wachposten flach ins Gras fallen lassen, und Kupferspurs Mu-Körper hatten nun keine Mühe mehr, seine schluchzende Gestalt

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