Das Koenigreich des Sommers
der Tür und brach in das Zimmer ein, ohne erst zu rufen und mich zu versichern, ob sie da wäre.
Sie stand in einer Ecke des kahlen Zimmers, mit dem Rücken gegen die Wand, bereit zu kämpfen. Dann sah sie, daß ich es war. Ihr Gesicht leuchtete auf, als ob das Sonnenlicht durch einen See flutet, und alles wurde zu glänzender Farbe. Sie rief: >Gawain!< und rannte durch den Raum in meine Arme. Ich hielt sie fest, ganz fest, ich küßte ihr Haar und ihren Hals, und etwas von dem schwarzen Schmerz verließ meine Seele.
Aber endlich schob sie sich ein wenig von mir fort und blickte zu mir auf, legte die Hände an meine Schultern und begann, mir Fragen zu stellen. >Wie kommt es, daß du hier bist?< fragte sie. >Hat es eine Schlacht gegeben? Ist mein Bruder in Sicherheit? Hat er Treue geschworen? Wo ist er, und wo ist der Kaiser?<
Und ich hatte keine Antworten. Ich versuchte, sie wieder an mich zu ziehen, aber sie stemmte die Hände an meine Schultern und lächelte mich mit leuchtenden Augen an. >Wann war die Schlacht?< fragte sie. >Mein Bruder hat es herausbekommen, und er war sehr zornig. Deshalb hat er mich hier oben eingeschlossen. Ich bin ohnmächtig geworden, als ich hörte, wie er dich von den Toren abgewiesen hat. Und da hat er es bemerkt. Ist er in Sicherheit?< >Was spielt das für eine Rolle?< fragte ich.
Sie runzelte die Stirn. >Er ist mein Bruder. Wie könnte es keine Rolle spielen? Wo ist er?<
Es gab nichts, was ich sagen konnte. Sie starrte mich an, ihre Augen weiteten sich. >Er ist doch nicht. verletzt. oder?<
Ich konnte sie nicht anschauen. >Er ist tot<, sagte ich ihr.
>Nein, oh nein! Das kann nicht sein. Du hast es versprochen; er kann nicht tot sein.<
Da fiel mir ein, daß ich es versprochen hatte, und ich war entsetzt. Ich hatte meinen Schwur gebrochen, und bis zu diesem
Augenblick hatte ich noch nicht einmal daran gedacht. Ich wurde wütend auf sie, weil sie mich mit diesem Eid gebunden hatte, und damit, so dachte ich, hatte sie mich meineidig gemacht. >Solche Versprechen sind bedeutungslose sagte ich. >Es ist unmöglich, sie in einer Schlacht zu halten. Dein Bruder ist auf mich losgestürzt, um mich zu töten. Was sollte ich tun? Ihm mein Schwert anbieten?< >Gawain<, sagte sie, und irgend etwas in ihrem Tonfall zwang mich, sie anzusehen. Ihre Augen waren sehr groß und dunkel geworden in ihrem Gesicht, einem Gesicht, das bleich und elend wie die ganze Welt aussah. Irgend etwas in mir wand sich, hing verzweifelt am Rand eines inneren Abgrundes. >Gawain, du hast ihn doch nicht getötet?<
Eine lange Sekunde blieb ich still. Und dann war ich wütend, verzweifelt. >Ja, ich habe ihn getötet<, brüllte ich sie an. >Und er hat jeden Zoll meines Stahls verdient. Er war ein Verräter und ein Rebell, ein gewalttätiger Mensch, der dich einsperrt, der uns trennt, der mich beleidigt. Ja, und ich habe ihn umgebracht!<
>Du meineidiger, mörderischer Lügner.< Ihre Stimme klang flach und wild und kalt. >Du. Zauberer. Du bist genau das, was Bran von dir gesagt hat. Oh, mein Bruder. Oh, Bran, Bran.< Sie wandte sich von mir ab und ging mit festen Schritten zur Mauer. Sie lehnte ihren Kopf dagegen, preßte eine Hand auf den Mund. Ihre Schultern zuckten unter dem dünnen Kleid. Im Stall unter uns bewegten sich die Pferde in ihren Unterständen, und die Tauben gurrten auf dem Dach. Ich stand in der Mitte des Raumes, und das Licht war schwarz in meinen Augen.
>Elidan<, sagte ich. Sie bewegte sich nicht. >Heirate mich.< Bis zu diesem Augenblick hatte ich nicht daran gedacht, sie zu fragen, aber während ich es tat, sah ich, daß ich mich mit meinem ganzen Herzblut danach sehnte.
Sie wirbelte zu mir herum, ihr Gesicht war verzerrt, aber ihre Augen waren bitter und kalt wie Brans Augen. >Dich heiraten<, sagte sie. >Den Mann heiraten, der meinen Bruder umgebracht hat, während sein Blut noch heiß ist an seinen Händen. Den Meineidigen heiraten, den Lügner. Ich wünschte, ich wäre gestorben, an jenem Tag, an dem ich dich zum erstenmal gesehen habe! Laß mich allein!< Ich durchquerte das Zimmer mit zwei Schritten und packte sie an den Schultern. >Das befiehl mir nicht! Alles andere, nur das nicht. Ich schwöre den Eid meines Volkes, Elidan, befiehl mir irgend etwas anderes, und ich werde es tun.<
>Geh! Laß mich in Frieden trauern. Geh! Ich will dich nie wieder lebend sehen. Ihr Krieger, ihr seid alle von derselben Art. Ihr denkt an nichts anderes als an euren Ruhm. Es kümmert euch nicht, was für
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