Das Koenigreich des Sommers
während mein Großvater ihm etwas erzählte. Sie schauten alle auf, als ich die Tür öffnete.
Meine Mutter lächelte. »Na, Rhys. Wir hatten schon gedacht, der Wald hätte euch geschluckt. Aber wir haben euch das Essen trotz allem warmgehalten. Habt ihr gutes Holz gefunden?«
»Es ist gut genug. Aber wir haben mehr als Holz gefunden, Mutter. Wo ist mein Vater?«
»In der Scheune. Aber was gibt’s denn?«
»Das erfahrt ihr früh genug. Bleibt drinnen.« Bei dieser vielsagenden Bemerkung sprang mein Bruder auf und begann mit Fragen zu bohren. Zwei Vettern kamen aus irgendeiner Ecke herbeigerannt, um herauszufinden, was denn los wäre. Aber ich grinste und drückte mich wieder nach draußen.
Als ich in die Scheune kam, bürstete mein Vater gerade unsere kleine braune Stute, die immer den Karren im Sommer zieht. Er summte leise vor sich hin, und seine dicken Hände waren schnell und sicher und sanft. Ich blieb einen Augenblick stehen, die Hand an der Tür, schaute mir seine vierschrötige Gestalt an und fragte mich, was er wohl tun würde. Mein Vater ist der Oberste unseres Haushalts, unserer Familie. Alle sind Abkömmlinge von Huw ap Celyn, bis in die vierte Generation. Wir zählen alles in allem siebenunddreißig Leute. Unser Clan hat keinen hohen Rang, aber wir sind wohlhabend genug, und überall im Land südlich des Mor Hafren in Dumnonia werden wir anerkannt. Mein Vater könnte bei jedem Streit sprechen und würde gehört werden, und Männer aus anderen Clans und von anderen Höfen kamen und holten sich seinen Rat ein, wenn es um Ernten und Steuern ging und darum, was man gegen die schlechten Angewohnheiten der Nachbarn tun konnte. Er hatte die Politik des Pendragon immer unterstützt, und wenn andere davon redeten, die höheren Tributzahlungen zu verweigern, die für Artus’ Heer gebraucht wurden, dann verteidigte er das Reich. Aber das war natürlich ganz etwas anderes, als ein Mitglied dieses Heeres unter Zwang als Gast aufzunehmen. Mein Vater hatte es nie gemocht, irgend etwas unter Zwang zu tun, und wir waren stark genug, um uns eines einzelnen Kriegers zu entledigen. Aber wir waren auch ein christlicher Haushalt, und mein Vater war Christ. Er glaubte an die Gastfreundschaft - innerhalb gewisser Grenzen - und an die Höflichkeit. Ich schloß leise die Tür und ging über den gestampften Lehmboden zu ihm hinüber.
»Na, Rhys, habt ihr das Holz schon eingelagert?« fragte mein Vater, ohne sich umzudrehen.
»Laß einmal das Holz, Vater. Goronwy und ich, wir haben einen Krieger getroffen. Er sagt, er gehört zu Artus’ Familie, und er will eine Unterkunft für die Nacht. Für sich und für sein Schlachtroß.«
Mein Vater legte das Stroh hin, das er als Bürste benutzte, richtete sich auf und drehte sich energisch um. Er schaute mir in die Augen. »Soso. Wo habt ihr ihn denn getroffen?«
»An der Furt. Er hat den Fluß direkt nach uns überquert.«
»Und er kam aus dem Wald? Ganz allein?«
»Ja. Aber er ist nicht ausgerüstet wie ein Räuber.«
»Ist er bewaffnet?«
»Gut bewaffnet, glaube ich. Und ich habe noch nie ein Pferd gesehen, das so schön ist wie seins.«
»Wo ist er denn?«
»Vor dem Haus, bei Goronwy und dem Karren.«
Mein Vater nahm seine Laterne auf und verließ die Scheune. Ich folgte ihm.
Der Krieger saß noch immer auf seinem Hengst und wartete. Und Goronwy sah noch immer unruhig aus. Als wir herankamen, bemerkte ich, daß die Tür einen Spalt offenstand, und das Feuerlicht blitzte hindurch. Meine Familie beobachtete uns.
Mein Vater hob die Laterne hoch und versuchte, das Gesicht der dunklen, berittenen Gestalt zu sehen. Er war angespannt, das fühlte ich, aber sein Gesicht sah im Lampenlicht ruhig und fest aus. Das Licht ließ sein rotes Haar, das schon graue Strähnen hatte, dunkel aussehen, und seine hellblauen Augen lagen im Schatten. Er sah jung und stark aus, fest und voller Autorität.
Der Krieger starrte ihn an. Die Augen glitzerten durch sein struppiges, schwarzes Haar. Dann, ganz langsam, saß er ab und stützte sich mit einer Hand auf den Widerrist seines Pferdes. Die andere hob er halb.
»Sion ap Rhys.« Mit rauher Stimme sagte er den Namen meines Vaters.
»Gawain ap Lot«, sagte mein Vater. »Ach, ich hätte nie gedacht, daß du dich an mich erinnerst.«
»Ich hab’ dir doch gesagt, ich würde dich nicht vergessen. Dies hier ist also dein Hof?«
»Ja. Ich bin der Oberste meiner Familie.« Langsam ging mein Vater dichter an den anderen heran. Dann blieb er
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