Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

gaben die Geisterwesen auf und öffneten ihre Architektur, um einen weiteren Platz zu offenbaren, in dessen Mitte sich ein Turm befand, der von leuchtenden Spiralen umgeben war, die sich langsam bewegten.
    »Endlich«, sagte Amelia, »etwas Echtes.«
    Sie näherte sich dem Turm, der daraufhin begann, im Boden zu versinken. Lichtbänder zuckten zur immer weiter hinabsinkenden Spitze des Turms hinauf, und die ganze Stadt rund um sie herum ging unter, als ob Camlantis von einer Flut überspült wurde. Als das letzte bisschen Licht in die Spitze des Turms gesaugt worden war, enthüllte die schwindende Beleuchtung eine Krone, die dem Stirnreif glich, den der Daggischtenherrscher getragen hatte. Diese hier besaß eine weitere Eigenheit, die Amelia und Bull sofort auffiel – ein rotes Juwel von der Größe eines Hühnereis, das in der Mitte des Kopfschmucks glitzerte. Die Stadt um sie herum war verschwunden. Nur der Turm war noch da, mittlerweile zu einer Säule geschrumpft, die ungefähr bis zur Höhe ihrer Schultern emporragte.
    »Einen so großen Rubin habe ich noch nie gesehen«, zischte Bull. »Der allein muss ein ganzes Königreich wert sein.«

    »Nun, und warum auch nicht?«, erwiderte Amelia. »Das Juwel birgt in sich eine ganze Welt. Dieses Ding hat die Vision von Camlantis projiziert.«
    Bull sah sich um und stellte offenbar erst jetzt fest, dass um sie herum alles verschwunden war. Sie standen auf einem flachen Plateau und blickten auf den Maschinenwald zu ihren Füßen.
    Bull streckte die Hand aus, um die Krone von der Säule zu nehmen, aber Amelia schlug ihm auf die Finger. »Fallen bedeuten Schatz, aber das gilt genauso umgekehrt.«
    Vorsichtig betrachtete sie nun die Säule und suchte nach Gewichtssensoren und anderen Auslösern. Sie konnte nichts dergleichen sehen, aber schließlich hatte die camlantische Gesellschaft ein so hohes wissenschaftliches Niveau erreicht, von dem ein normaler Jackalianer nur träumen konnte. Es konnte einen Wärmeauslöser geben, ein Lichtgitter – vielleicht sogar Sensoren, die auf ihrer Wirklichkeitsebene gar nicht existierten. Und welche Fallen würden Pazifisten konstruieren, um einen uralten Projektor zu schützen? War dies das Geheimnis, das der Daggischtenherrscher seit Jahrhunderten zu lösen versuchte? Wenn das Juwel die Erinnerungen von Camlantis in seinem schimmernden Inneren barg, enthielt er vielleicht auch die gegenwärtige Position der zerstörten Stadt am Himmel?
    »Dann nehmen besser Sie den Edelstein«, schlug Bull vor. »Die Türen hier öffnen sich ja auch für Sie und nicht für mich.«

    »Ich weiß nicht. Diese Krone ist unbezahlbar. Wir können sie nicht einfach den Daggischten übergeben.«
    »Vergessen Sie doch diese Viecher. Wir nehmen sie für uns.« Bull grinste so gierig, als ob man ihm die Schlüssel zur Stadt Middlesteel überreicht hätte. »Was für ein verdammt riesiges Juwel.«
    »Es ist kein Rubin«, sagte Amelia. Jetzt, da sie in seinem Licht badete, wusste sie, was es war. Das Juwel erleuchtete sie, gab ihr Nahrung. »Es wuchs aus einem winzigen Informationssamen heran. Fühlen Sie nicht die Energie, die von ihm ausgeht? Es ist die rohe Information, ein Juwel absoluten Wissens, zu einer Detailfülle komprimiert, die ein ganzes Universum in sich eingeschlossen hat – im Vergleich damit sind die Kristallbücher der Camlantiker wie eine Seite Text, die mit einem Griffel in eine Wachstafel geritzt wurde.«
    »Dann wird uns Abraham Quest dafür bezahlen«, folgerte Bull. »Selbst wenn es nicht die Position von Camlantis am Himmel verrät, er wird uns trotzdem dafür belohnen. Diese Camlantiker sind genau wie alle anderen Blödmänner, die nach ihnen kamen – nur Ego und Selbstdarstellung. Sie konnten es nicht ertragen, die Welt zu verlassen, ohne irgendwo ihr Zeichen an eine Wand zu schmieren, damit wir später wissen, dass sie mal da waren und was sie geleistet haben. Sie wissen, was das hier ist, oder nicht? Das ist die Anleitung, die Ihr reicher Krämerfreund für seine perfekte, friedliebende Gesellschaft gesucht hat, und er wird schon reichlich Kohle ausspucken, um sie in die Hände zu
bekommen. Und das wird er verdammt nochmal auch müssen.«
    Amelia starrte ihren Waffenbruder angeekelt an. Die Geldgier des Sklavenjägers war eine Beleidigung für alles, wofür die uralte Zivilisation stand, die dieses Wunder geschaffen hatte.
    Er bemerkte ihren Blick. »Hören Sie schon auf, Süße. Quest kriegt sein Juwel, und Sie können für den