Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman
Kaltzeit nicht berührt. Er hat sich während der Jahrtausende kaum verändert.«
»Sie wissen wirklich, wo Camlantis ist!«, rief Amelia.
»Wo seine Fundamente sich befanden. Soweit wir sagen konnten, plante Pairdan, die Stadt nicht der Schwarzöl-Horde
zu überlassen. Es war kein zufälliges Schwebbeben, das Camlantis zerstörte, Frau Professorin.«
Amelia war wie gelähmt von den Aussichten, die sich unvermittelt vor ihr auftaten. Die wenigen Gelehrten, die überhaupt einen gewissen Respekt vor der camlantischen Legende besessen hatten, waren stets davon ausgegangen, dass die Stadt geschleift und die Bibliotheksmagier ermordet worden waren, so dass niemand mehr die Kräfte der Erde hatte ableiten können und die Stadt daher von einem Schwebbeben ergriffen worden war. Es war die erste Pflicht der Weltensänger, die Kraftlinien zu zähmen, die das Land über Meilen aufreißen und es in die kalte Nacht hinaufwirbeln konnten. Der Orden der Weltensänger meisterte die Kraft der Erde und nutzte sie für seine Zauberkunst und Rituale. Nach dem Untergang von Zivilisationen und dem Zusammenbruch des Ordens geschah es oft, dass Schwebbeben, Vulkanausbrüche und Erdbeben verstärkt das Land verwüsteten; das war eine unwiderlegbare Tatsache.
»Dann zerstörten die Camlantiker also ihre eigene Stadt.« Amelia konnte ihre eigene Schlussfolgerung kaum glauben.
»Die Barbaren waren keine Narren«, sagte Quest. »Die Horde wollte Camlantis nicht aus Groll oder Neid niederbrennen. Sie wollte die Stadt der Wunder zu ihren eigenen Zwecken in ihre Gewalt bringen. Sie wollte die Büchermeister als Sklaven vor ihre Wagen spannen. Hätten sie über die camlantischen Mächte verfügt, hätten die Räderfürsten jedes Königreich ihrer Zeit mühelos
erobern können. Für eine pazifistische Gesellschaft kann ich mir kein schlimmeres Los vorstellen, oder was meinen Sie? Man hätte sie zu Hofzauberern mordlüsterner Kriegsherren gemacht. Sie hätten zusehen müssen, wie die Horde die Kinder ihrer besiegten Untertanen hinter ihre Wagen gebunden und sie bei ihren Ehrenrennen über den Kies geschleift hätte, bis nur noch ein blutiges Band übrig blieb. Sie wären Gehilfen beim Überfall auf andere Städte geworden.«
Amelia sah zum stillen, edlen Abbild des Leseverwalters. »Der arme Mann. Der arme Pairdon.«
»Stellen Sie es sich doch nur einmal vor, Frau Professorin.« Quest ging zu einem der bullaugenähnlichen Fenster hinüber, das in die Gummihaut des Druckluftturms geschnitten worden war. »Irgendwo dort oben am Himmel zieht immer noch Camlantis seine Bahn. Keine geschleiften Ruinen aus Stein und Marmor, sondern noch intakt, mit leeren Straßen, die nur noch die nistenden Adler und den Staub von Pairdans Hoffnungen beherbergen. Das ist doch auch Ihr Traum, oder nicht?«
Verdammt nochmal. Quest wusste, dass es so war. »Sie sagten, Sie wüssten, wo sich die Stadt vor dem Schwebbeben befunden haben könnte?«
»Und ich kenne auch den Grund, aus dem man die zertrümmerten Fundamente niemals gefunden hat.« Quest führte sie zu einem Tisch in seinem Büro, wo eine der catosischen Soldatinnen eine Landkarte entrollt hatte. Sein Finger schwebte über einem großen Gebiet,
das größtenteils schwarz markiert war, um anzuzeigen, dass es sich um unbekannte, unerforschte Landstriche handelte. »Liongeli.«
Amelia warf einen skeptischen Blick auf die von der Karte nicht erfasste Ausdehnung. Eine Dschungelhölle ohne Ende. Eine derart feindliche Umgebung, dass lediglich die den Menschen nur entfernt verwandten, gepanzerten Craynarbier es wagten, sich dort niederzulassen. »Ihre Geographen müssen sich geirrt haben, Quest. Alle alten Quellen legen nahe, dass Camlantis weiter nördlich gelegen haben muss. Ich würde eher auf einen Landstrich nördlich des catosischen Bundes tippen, oder vielleicht in Kikkosico, überwachsen von der Pampa. Vielleicht liegt es sogar in den wüsten Landen, die von den Polarbarbaren beherrscht werden.«
Quest schüttelte den Kopf. »Vertrauen Sie mir, Amelia. Ich habe meinen Platz in der Welt mit Instinkten erkämpft, die denen der übrigen Welt entgegenlaufen. Wären Sie überrascht, wenn Sie erführen, dass die angebliche Irrlehre, die Sie vertreten, nicht die einzige ist, mit der ich mich beschäftigt habe? Im Bereich kontinentaler Geographie gibt es eine Hypothese, die gegenwärtig nicht von der Hohen Tafel akzeptiert ist, und laut der unsere gesamte Welt in der Vergangenheit öfter als zuvor angenommen
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