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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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Septimoth?«
    Septimoth betrachtete die geschuppte Feder eingehend. »Wo haben Sie die gefunden?«
    »Ungefähr eine Handvoll davon lag im Gebüsch vor dem Haus, Sie Flattertier.«
    Septimoths eng zusammengefaltete Schwingen schienen vor Anspannung zu beben. »Im Garten?«

    »Ganz genau.« Sie legte die Feder auf den Tisch. »Wenn der Herr schon darauf besteht, den Garten lediglich von tageweise bestellten Kräften in Ordnung halten zu lassen, dürfte ich Sie dann wenigstens bitten, Ihre Federn nur in Ihrem eigenen Turm abzuwerfen, oder am besten gleich auf dem Komposthaufen unten am See?«
    Septimoth sah der Haushälterin nach, die zu ihren Gemächern auf der anderen Seite des Hauses watschelte. Dann nahm er die karmesinrote Feder vom Tisch. So etwas hatte er seit langem nicht mehr gesehen; nicht mehr seit der Zeit in Quatérshift. Und er hatte nicht erwartet, etwas Derartiges in Jackals je wiederzusehen, nicht für den Rest seines Lebens. Es verlockte ihn, den Ruf zu überhören. Er war ein Ausgestoßener, also konnte er sich auch so verhalten. Aber das Totem war zu mächtig, als dass er ihm hätte widerstehen können.
    Doch zunächst fiel er über das Stück Pastete her und verschlang die Mahlzeit mit einer so offensichtlichen Gier, dass sich Damson Beeton der Magen umgedreht hätte. Wäre sie noch hier gewesen, sie hätte ihn sicherlich scharf zurechtgewiesen. Dann zog er die Portion, die sie für Cornelius Fortune beiseitegestellt hatte, aus dem Ofen und trug sie zum Fahrstuhl draußen im Flur. Zwar besaß Dolorous Hall nur drei Stockwerke, aber der jetzige Besitzer hatte einen schlanken Turm für Septimoth bauen lassen, einen runden Steinbau, der wie ein schwarzer Finger aus dem Dach ragte. Septimoth korrigierte sich; es waren nur drei Stockwerke sichtbar. Als sich die Türen des Fahrstuhls geschlossen hatten,
zog Septimoth einen elfenbeinernen Griff aus der Kupferverkleidung der Wand und drehte einen zweiten entgegen dem Uhrzeigersinn. Anstatt zu seinem Horst emporzufahren, sank der kleine Raum in die Tiefe bis unter den Felssockel der Insel, während die Gegengewichte mit leisem Zischen in die andere Richtung schwebten, begleitet von dem Klacken des Zahnradmechanismus, der das Kabel zog.
    Nach drei Minuten öffneten sich die Türen des Fahrstuhls und gaben den Blick auf einen langen Korridor frei, dessen roh behauene Wände von flackernden Öllaternen beleuchtet wurden, angebracht unter dem Bleirohr, durch das sie gespeist wurden. Bevor der Fluss der Hauptstadt künstlich verbreitert worden war, um Überflutungen zu vermeiden, waren die Inseln Hügel gewesen, wohlhabende Enklaven, die auf den nahen Gambleflowers und die Stadt hinabblickten. Septimoth trat in einen großen Saal und sah kurz zu den Fischen und dem dunklen Fluss empor, der über dem Oberlicht des alten Middlesteel-Museums dahinströmte. Es war nicht schwierig gewesen, das verlassene Gebäude unter Wasser zu versiegeln und alle Feuchtigkeit herauszupumpen. Selbst die geheimste Geheimpolizei von Jackals, das Wolkengericht, konnte seine zauberkundigen Wächter nicht unter den Gambleflowers blicken lassen.
    Es war verblüffend, wie viele der alten Museumsgüter die Kuratoren in den Kellern zurückgelassen hatten, bevor sie in ihre neuen Marmorhallen im Westen von Middlesteel umgezogen waren. Es handelte sich
vor allem um Königsstatuen und Artefakte, die nicht mehr dem Zeitgeist entsprachen – ein berittener Kavalier, der seinen Karabiner auf einen sich aufbäumenden Gorback richtete; die riesige löwenköpfige Dampfmaschine, die das königliche Luftschiff Scramblewolf über den Ozean gebracht hatte, als Concorzia und die anderen Kolonien entdeckt wurden. Jetzt hatte das verlassene Museum nur noch einen Wächter und nur wenige regelmäßige Besucher. Cornelius Fortune befand sich im großen Saal, der in der Mitte des Gebäudes lag, und saß im Schatten einer großen Berechnungsmaschine, die eigentlich in die endlosen Maschinenräume von Greenhall hätte gebracht werden sollen, aber stattdessen auf der Insel gelandet war – nachdem man sie Stück für Stück gestohlen und dorthin verbracht hatte. Septimoth stellte den Teller mit dem Essen neben die Kisten mit entwendeten Lochkarten, die sein Freund von der Behörde erhalten hatte.
    Es überraschte Septimoth nie, wie leicht Cornelius in den Besitz solcher Dinge gelangte. Vor Quatérshift, vor der Maske war sein Freund der Meisterdieb von Jackals gewesen. Der Dieb mit den tausend Gesichtern, mit

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