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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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verfluchte ihre dicken Handschuhe und die Tatsache, dass sie ihre Pistole im Innern des Bootes hatte lassen müssen. Gabriel hob vor dem Periskop den Daumen und zog ein Seemesser aus dem Gürtel. Amelia, die neben dem riesigen Tauchmaat stand, zückte ihre eigene Klinge. Craynarbier hatten ein Leben lang Zeit, um sich daran zu gewöhnen, wie man mit sperrigen Außenskeletten kämpfte; für Amelia hingegen war der schwere, warme Anzug völlig neu. Einer der Krieger stach mit einem Speer nach ihr, und sie wehrte ihn ungeschickt mit dem messerbewehrten Arm ab, dann packte sie den hölzernen Speerschaft mit der Linken und hielt ihn fest. Der Craynarbier begann mit ihr um den Speer zu ringen und versuchte, sie mit seinem Schild zu schlagen, einem runden Ding, das aus dem Knochenpanzer eines Dschungelgeschöpfs gemacht worden war. Amelia rollte sich nach vorn, brachte den Krieger aus dem Gleichgewicht und kam auf die Beine, den Speer in Händen. Ihr Gegner hob seinen Schild und nahm die perfekte Haltung an, um einen Hieb abzuwehren. Aber Amelia Harsh war keine Panzerkriegerin – sie war aus Jackals, die Tochter eines entehrten Politikers. Man hatte ihn geächtet, nun gut, aber ihr Vater war dennoch ein Meister im Kampf mit dem Debattierstock gewesen und hatte im Parlament, der Arena der Demokratie, oft Schläge mit dem schweren Stock eines Hüters ausgeteilt. Und wie hatte Amelia damals seine Beinbewegungen studiert! Sie stieß den Schaft der Waffe gegen das Knie des Craynarbiers und
dann wieder in die Höhe, nach außen, um den Schild hoch in die Luft zu wirbeln. Der Krieger stieß mit seinem Schwertarm nach ihr, und das gezackte Glied verfehlte ihren Hals um nur einen Zoll. Nun, da sie den Speerschaft in Händen hielt, fielen ihr all die Lehren ihres Vaters wieder ein, die süße Überredungskunst des Debattierstocks, jeder dreckige, hässliche Hinterhoftrick, den die politischen Kämpfer Middlesteels auf den Straßen und Boulevards entwickelt hatten.
    Amelia brachte den Craynarbier mit einem Schlag zu Fall, den man »Stellungnahme des Kanzlers« nannte, und dann duckte sie sich und versetzte mit all der Kraft ihrer mächtigen Arme dem Krieger, der sich wieder aufzurichten suchte, einen heftigen Hieb gegen die Stirn, die sogenannte zweite Lesung. Hinter ihr wandte Gabriel alle Kniffe an, die er in der Arena bei den Ringkämpfen gelernt hatte, und schleuderte den bewusstlosen Körper eines Gegners auf dessen Kameraden, während er selbst links und rechts ihren Speeren auswich. Immer mehr Craynarbier sammelten sich und machten sich bereit, sich an den weichhäutigen Eindringlingen zu rächen, die sich in ihr Reich gewagt hatten. So, wie die Dinge standen, würden sie keine Minute mehr durchhalten und bald ein Opfer der zahllosen Speerspitzen werden.
    Amelia sah zum Wasser hinunter. Mit ihren Tauchanzügen konnten sie in den Fluss springen und sich an der Sprite festhalten, während das Tauchboot in die Tiefe glitt, und es war vermutlich besser, sich den Gefahren
zu stellen, die ihnen durch die Raubtiere im Shedarkshe drohten, als dem sicheren Tod hier oben ins Auge zu sehen. Es bedeutete allerdings auch, dass Eisenflanke sich allein bis zum Handelsposten würde durchschlagen müssen. Für einen Augenblick war sie hin und her gerissen. Dann traf sie ihre Entscheidung: Es war besser, wenn sie beide überlebten, und für den Dampfmann bestand immerhin trotzdem die Chance, dass er durchkam, wenn auch nur eine kleine. Amelia stand kurz davor, dem Ersten Maat von hinten einen Schubs zu geben und sie beide ins Wasser zu werfen, als sich eine Luke am Geschützturm öffnete. Bull Kammerlan trat heraus, ihm folgten einige seiner Matrosen, die mit Lufttanks in Muschelform ausgestattet waren – und mit noch etwas anderem: Sie gingen gebeugt unter dem Gewicht chemischer Batterien, die man ihnen auf den Rücken geschnallt hatte, und mit Kautschuk isolierte Kabel führten zu Dreizacks hinab, die beinahe doppelt so lang waren wie die Seeleute, die sie führten.
    Das Kriegsgeheul der Craynarbier war so laut, wie es ihnen mit den schwarzen Gasfilterschnecken vor der Visage nur möglich war. Sie stürzten sich auf die Tauchbootbesatzung. Die Männer hoben ihre schweren Dreizacks und ließen Bögen eines knisternden blauen Feuers zu den Wilden überspringen. Zwar waren diese Vorrichtungen in erster Linie dazu gedacht, die Tentakel der riesenhaften Tintenfische abzuwehren, die von den überhitzten Wassern der Feuersee angezogen wurden,

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