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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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– und immerhin an Großvaters Seite – alles vorüber sein würde, als der Kopf des Postboten zu einer verblüffend hübsch anzusehenden Fontäne aus Rot und Pink explodierte. Er kippte um und fiel zu Boden, noch ehe er Zeit gehabt hätte für einen einzigen Schrei. Von den Schultern aufwärts bestand er nur mehr aus einem Halsstumpf voll blutiger Knorpel und Knochensplitter.
    Ich drehte mich um. Ein alter brauner Nova hatte vor meinem Haus angehalten, und ein Mann, der mir bekannt vorkam, beugte sich weit aus dem Fahrerfenster, eine rauchende Pistole in der Hand.
    »Steigen Sie ein!«, schrie er. »Steigen Sie in den Wagen!«
    Beim Knall des Schusses war die Meute der Drohnen zurückgeschreckt, doch schon gruppierte sie sich neu und rückte auf mich zu. Ihr neuer Anführer war ein dicker, von Kopf bis Fuß in Nadelstreif gehüllter Mann.
    Zum letzten Mal streckte ich meine Finger aus und umklammerte Großvaters Hand. »Das ist mein Großvater!«, rief ich zurück. »Ich kann ihn nicht hier zurücklassen!«
    Der Mann im Wagen starrte mich an wie einen Idioten. »Sie können doch jetzt nichts mehr für ihn tun!«
    »Sie verstehen das nicht. Er ist … er ist der allerwichtigste Mensch!«
    »Leviathan!« Mit seinem gestreiften, vom Wanst gewaltig ausgebeulten Hemd und den Fettwülsten, die ihm über den Gürtel hingen, stampfte der neue Anführer der Drohnen entschlossen in meine Richtung, sein Gefolge dicht auf den Fersen.
    »Um Himmels willen, steigen Sie in das verdammte Auto!«
    Ich warf einen Blick auf das, was auf mich zukam, drückte Großvaters Hand und kam zu einem Entschluss. »Verzeih mir«, sagte ich, »es tut mir so leid«, und drehte mich auf dem Absatz herum.
    Ich rannte hinüber zu dem braunen Wagen und krabbelte hinein. Mein Retter sah hohlwangig und unrasiert aus und hatte erschreckend blutunterlaufene Augen – aber es war fraglos er.
    »Hallo, Henry«, sagte er und lachte irritierend schrill auf.
    »Sie kennen mich?«
    »Sie sind doch Henry Lamb, oder?«
    »Ja, Sir«, antwortete ich, »ich meine, jawohl, Königliche Hoheit.«
    »Ich möchte, dass Sie Arthur zu mir sagen«, erklärte der Fahrer und trat voll aufs Gaspedal. Mit quietschenden Reifen machte der Wagen einen Satz, holperte über ein Kollektiv von Müllsäcken und wich nur äußerst knapp einem Häuflein Drohnen aus.
    Als die Fahrt ruhiger wurde, fragte ich ihn, wieso er meinen Namen kannte.
    »Ich habe von Ihnen geträumt. Der Kater hat mich über alles informiert.«
    »Welcher Kater?«
    »Kleiner grauer Kerl. Er sagte mir, wie man die Auswirkungen von Ampersand bekämpfen kann.«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich das so offen ausspreche – und nebenbei vielen Dank, dass Sie mich gerettet haben –, aber sind Sie nicht der Feind?«, gab ich ihm zu bedenken. »Sollten wir nicht eigentlich Krieg gegeneinander führen?«
    »Der Krieg endet heute Nacht«, erklärte Arthur Windsor mit fester Stimme. »Sie und ich, Henry, wir werden ihm Einhalt gebieten.«
     
    Auf der Fahrt weg aus Tooting Bec konnten wir den Untergang der Stadt aus erster Hand mitverfolgen. Schwelende Häuserreste, mit Glasscherben übersäte Gehsteige, in schwarze Schlacke verwandelte Fahrzeuge, ganze Straßenzüge, die von roten Bächen durchzogen waren. Ich erblickte eine Bushaltestelle, die zu Schrott zertrümmert worden war, und über eine ganze Straßenbreite verstreut den Inhalt eines Bekleidungsgeschäfts; es sah aus, als hätte auf einem südländischen Ramschmarkt eine Bombe eingeschlagen.
    Unmengen von Menschen waren auf den Straßen, Drohnen, die alle in ungeordneten Kolonnen in dieselbe Richtung strömten, und wir hatten keine andere Wahl, als uns in trauerzugartigem Tempo dazwischen einzureihen. In ihrem blinden Eifer, voranzukommen, trampelten etliche kräftigere Exemplare über ihre schwächeren Kameraden hinweg, und ich ersuchte den Prinzen wiederholt, anzuhalten, sodass wir wenigstens den Versuch machen könnten, den Niedergewalzten zu helfen, aber er schnauzte mich nur an, keine Zeit für Sentimentalitäten zu haben, und fuhr weiter.
    »Sie haben versucht, mich in den Wahnsinn zu treiben«, bemerkte er nach einer Weile. »Ist das zu glauben?«
    Ich sah ihn an mit seinem wirren Haar, den struppigen Bartstoppeln und den hervortretenden, geröteten Augen und fand, ja, es war zu glauben, denn so viel schien da gar nicht zu fehlen.
    »Sie wollten mich drogenabhängig machen. Sie zeigten mir Spuren und Splitter der Wahrheit. Gott weiß, warum, aber sie wollten

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