Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
Vom Netzwerk:
mich dazu bringen, meine Frau zu töten.«
     
    Als wir Tooting Bec hinter uns ließen und uns in die Massen von Drohnen einreihten, folgten wir mehr oder weniger meiner alten Route zur Arbeit – durch Clapham, Brixton, Stockwell und Lambeth. Je weiter wir vorankamen, desto mehr Gedränge herrschte auf den Straßen und desto schwieriger wurde es, den Wagen durch diese Menschenflut hindurchzumanövrieren.
    »Der Kater gab mir eine Botschaft an Sie mit«, sagte der Prinz und kurvte zügig um einen umgestürzten Doppeldeckerbus herum, der dalag wie ein großer roter Seehund beim Sonnenbaden.
    »Wie bitte?«
    Arthur trommelte aufgeregt mit den Fingern aufs Lenkrad. »Er sagte, Sie würden eine Formel brauchen. Für das Programm. Einen Zauberspruch, um die Falle zuschnappen zu lassen. Er sagte, Sie würden schon wissen, was zu tun wäre.«
    Ich dachte einen Moment lang nach. »Ich kann’s mir ungefähr vorstellen.«
     
    Wir bogen um eine Ecke, der Bahnhof Waterloo kam in Sicht, und jetzt endlich wurde mir klar, wohin es die Drohnen zog.
    Die Straßen waren mittlerweile so verstopft, dass uns keine andere Wahl blieb, als den Wagen zu verlassen und mitten in dem Gewühl unser Glück zu versuchen. Mit aller Vorsicht stiegen wir aus, gaben uns Mühe, unsere Ohren gegen das Kreischen der Meute zu verschließen, und wandten uns Richtung Bahnhof.
    Die Menge nahm kaum Notiz von uns, sie fühlte sich dem Objekt ihrer Sehnsucht schon zu nahe, um uns viel Beachtung zu schenken. Es gab keine andere Möglichkeit, als uns in diese Brandung zu stürzen, Teil der Strömung zu werden und uns in den Bahnhof Waterloo mitreißen zu lassen.
    Und dort schien alles seltsam verlassen. Die kleinen Läden, Schnellimbisse und Zeitschriftenstände waren sämtlich unversehrt – ohne jedes Personal, aber immer noch geöffnet; die Hamburger waren kalt, das Zeitungsangebot vom Vortag lag unberührt herum, Sandwiches in einem Regal wurden unter der Klarsichtfolie langsam grün. Die Drohnen ignorierten das alles, offenbar waren selbst ihre Bedürfnisse nach Nahrung und aktueller Information dem Drang untergeordnet, ihr Ziel zu erreichen. Doch gestorben wurde auch hier: Verkrümmte Leichen stapelten sich in den Aufzügen, ein Fahrkartenkontrolleur lag niedergetrampelt auf dem Boden, gleich neben einem fliegenumschwirrten toten Hund und seinem toten Herrn. Und Arthur und ich schritten unbeirrt an allem vorbei.
    Dann wurden wir durch den Hauptbereich des Bahnhofs geschoben und bewegten uns zusammen mit den Drohnen unaufhaltsam voran, wobei wir uns gefallen lassen mussten, durch ein Escher-Labyrinth aus Beton gestoßen zu werden, außerstande, anzuhalten oder unsere Schritte zu verlangsamen. Wir bemühten uns, nicht allzu sehr an jene zu denken, die zu Boden stürzten und von der Masse niedergewalzt wurden.
    Am South Bank kamen wir wieder ins Freie, fast direkt gegenüber jener Stelle, wo ich einst in der Mittagspause gesessen und zugesehen hatte, wie Barbara ein Baguette verschlang.
    Vor uns lag der Fluss, die breite Wasserfläche der Themse, und da erblickten wir es schließlich – das Ungeheuer im Wasser, den großen Drachen, den Schrecken der sieben Häupter.
    Es musste wohl eine Bruchlandung gewesen sein: Das Parlament war eine halb eingestürzte Ruine, Kleopatras Nadel war entzweigebrochen, und das London Eye stand so schief da, als hätte es jemand rücksichtslos zur Seite geschubst. In der Ferne ragten die Hochhäuser des Büroviertels dunkel und leer zum Himmel auf. Boote jeglicher Art und Größe – Jachten, Rundfahrtschiffe, Lastkähne, schwimmende Restaurants und eine ganze Flotte Polizeiboote waren ans Ufer geworfen worden, wo sie nun wie kaputtes Spielzeug herumlagen, zertrümmert zu Kleinholz und Gerümpel.
    Die schiere Masse dieser Kreatur hatte den Fluss über die Ufer treten lassen. Wasser schwappte über die Bürgersteige und machte den Untergrund glatt und tückisch.
    So weit das Auge reichte, war die ganze Themse mit einem riesigen schwarzen Schatten gefüllt; er war umgeben von gurgelndem, brodelndem Wasser und zischenden Dampffontänen – üblen Eruptionen aus der Tiefe. Alles, was man von Leviathan außer diesem Schatten tatsächlich sehen konnte, waren dünne Schläuche – lange tentakelartige Dinger, die sich aus dem Wasser des Flusses schlängelten und schlaff am Ufer herumlagen wie fleischige Schlingen von Gedärm.
     
    Unser Ampersand hatte die Einwohner der Stadt so dankbar gemacht! Sie strömten herbei, um uns zu

Weitere Kostenlose Bücher