Das Königshaus der Monster
brutalen Angriff, taumelte er rückwärts, und wir balgten uns eine Weile fruchtlos am Ufer der Themse, tauschten schwächliche Faustschläge und kleinmädchenhafte Hiebe aus, während wir dieser monströsen Kreatur so nahe waren, dass wir ihr zufriedenes Zischeln hören konnten, den lustvollen Brodem, den sie verströmte, das abstoßende Gurren höchster Wonne.
Ich packte Streater an der Schulter, zwang ihn herum und trat ihm mit aller Kraft in die Magengrube. Daraufhin taten mir zwar die Zehen weh, aber der Verräter verlor das Gleichgewicht, wankte nach hinten und fand in dem schlammigen Wasser, das weit über das Ufer schwappte, keinen Halt unter den Füßen. Hinter ihm fehlte ein großes Stück des Geländers, das den Ansturm der Massen wohl nicht überstanden hatte, und daher konnte nichts Joe Streater daran hindern, in den Fluss zu stürzen, als ich ihm einen weiteren Tritt versetzte. Er versuchte, sich am letzten Rest des Geländers festzuklammern, und sah mich an; zu meiner Verblüffung sah er so aus, als hätte er Tränen in den Augen.
»Das hätte nicht passieren dürfen! Sie sollte doch immun dagegen sein!«
»Die haben Sie belogen«, stellte ich fest. »Natürlich haben sie Sie belogen!«
»Sie verstehen nicht, was ich meine.« Ich sah jetzt, dass ich mich nicht geirrt hatte, dem Mann liefen tatsächlich die Tränen übers Gesicht. »Ich habe das nur für Abbey getan! Ich wollte sie zurückgewinnen. Ich wollte uns eine neue Chance geben.«
Was für eine Jammergestalt – der große Joe Streater, der Jago der Krone, der Quisling für die Bestie, und jetzt nichts weiter als irgendein Trottel, der sich um jeden Preis am Leben festhalten wollte, ein weiterer Blindgänger, ein weiterer Wageteufel, für den es dumm gelaufen war: Mephisto, geschrumpft zu einem Fall für die Fürsorge.
Vermutlich wäre das Mitfühlendste, das Ehrenhafteste und Anständigste gewesen, mich hinabzubeugen, ihm die Hand zu reichen und ihm heraufzuhelfen. Bei Figuren in einem Hollywoodfilm, in dem Charakterfestigkeit und Lehren fürs Leben absoluter Standard sind, wäre die Sache wohl genau so abgelaufen.
Doch an jenem Tag am Fluss lief es keineswegs so ab.
Ich versetzte Joe Streater einen Tritt ins Gesicht, und ich muss sagen, das ans Brechen eines trockenen Astes gemahnende Knacken seiner Zähne, als ich sie ihm dabei einschlug, war eines der befriedigendsten Geräusche, die mir je ins Ohr gedrungen waren. Er spuckte einen Teil seines Prachtgebisses aus, heulte vor Wut und Verzweiflung auf und bettelte jämmerlich um Gnade.
Also stampfte ich nachdrücklich auf seine Finger.
Mit einem letzten Winseln ließ er den Geländerrest los und platschte kläglich in den Fluss. Ich wollte mir dazu gerade eine originelle Bemerkung einfallen lassen, als schätzungsweise neunzig Kilogramm königliche Körperfülle in meine Seite krachten und uns beide in das aufgewühlte Wasser beförderten.
Einen Augenblick lang dachte ich, das wäre das Ende für uns alle – den Prinzen, Joe Streater und mich: mit den Armen um uns schlagend, japsend vor Kälte und machtlos gegen die Flut ankämpfend, in der Themse zu ertrinken. Doch dann nahm ich etwas Glattes, Klebriges wahr, das sich an mich heranschlängelte, und ich wusste auf einmal, dass dies nicht das Ende war. Noch nicht ganz.
Möglicherweise versuchte ich sogar zu schreien, aber schlammiges Wasser war mir in den Mund gedrungen und drohte mich zu ersticken. Etwas glitt an meinem Nacken hoch, schlang sich um meinen Hals und um die Schultern und drückte mir die Brust zusammen.
Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist das Gefühl, bewegt zu werden, rasch durchs Wasser gezogen zu werden, bevor ich mit einem Ruck tief im Bauch der Bestie landete, mitten im schwarzen Herzen von Leviathan.
Was hingegen in Wahrheit an jenem Nachmittag in der Themse ruhte, war etwas Wundersames, unvergleichlich Schönes. Lamb hätte es mit Hoheliedern des Dankes und Lobpreisungen empfangen sollen! Er hätte es küssen sollen! Er hätte auf die Knie fallen und es als lebendigen Gott anbeten sollen!
ACHTUNDZWANZIG
Mein erster Gedanke war, dass dies eine Art Vorhölle sein musste.
Ich brauchte eine Minute, um mein vorrangiges Gefühl zu definieren: Es war Langeweile – entnervende, geisttötende, erschöpfende Langeweile.
Ich saß an einem Schreibtisch in einem Büro – trocken, aufgewärmt und anscheinend zurück in der Normalität. Vor mir stand ein Computer; er war eingeschaltet und zeigte ein
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