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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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großzügiges Honorar war vom Direktorium sang- und klanglos am Vortag auf mein Bankkonto überwiesen worden.
    Anfangs war Abbey wild entschlossen, die Rechnung zu teilen, aber sie gab rasch nach. Und so blieben wir noch einen Moment sitzen, um auf die Rückkehr der Kellnerin zu warten.
    »Wenn du nicht mit mir darüber reden willst«, sagte Abbey, »wenn du nicht zulässt, dass ich dir helfe, dann such dir wenigstens jemand anderen, der dir helfen kann.«
    Ich lachte auf – in meinen Ohren ein fremder, bitterer, schroffer Ton. Ich fragte mich, wie lange wohl mein Lachen schon so klang … »Der einzige Mensch, der mir helfen kann«, sagte ich, »liegt im Koma.«
    Ihre Geduld wurde sichtlich auf eine harte Probe gestellt. »Also, irgendjemand wird es doch geben!«
    Die Kellnerin kam zurück, und ich war mit dem Wechselgeld beschäftigt. »Vielleicht gibt es jemand«, sagte ich, als wir unterwegs zum Ausgang waren, »Jemand, der mir helfen kann.«
    »Na eben. Dann ruf ihn an.« Abbeys Handy trillerte, um ihr den Eingang einer SMS anzuzeigen. Sie warf einen Blick darauf. »Ich muss laufen. Wir haben heute Nachmittag eine wichtige Sitzung. Wird ganz bestimmt entsetzlich langweilig, aber ich muss dabei sein. Gib acht auf dich, Henry.« Sie küsste mich leidenschaftslos auf die Wange, drehte sich um und verließ rasch das Restaurant.
    Ich trödelte beim Hinausgehen, nahm mir ein Bonbon aus der Schale auf der Theke und trat genau in dem Moment hinaus auf die Straße, als Abbey weiter vorn um die Ecke bog. Einen Augenblick lang verspürte ich den geradezu unwiderstehlichen Drang, hinter ihr herzurennen, mich ihr auf Gnade oder Ungnade auszuliefern und ihr alles zu erzählen. Doch stattdessen stand ich da wie ein Idiot und sah zu, wie sie meinen Blicken entschwand.
    Als sie außer Sicht war, griff ich nach meiner Brieftasche und zog ein rechteckiges Kärtchen heraus. Während ich die Nummer, die darauf stand, in mein Handy tippte, spürte ich, wie mir das wenige, das ich gegessen hatte, wieder hochsteigen wollte.
    Ich musste lauter sprechen als sonst, um den Verkehrslärm zu übertönen. »Miss Morning?«, sagte ich. »Hier spricht Henry Lamb. Die Antwort ist ja.«
     
    Im Ruskin Park, keine fünf Minuten Gehzeit entfernt von dem Ort, wo mein Großvater in hoffnungslosem Zustand hinüberdämmerte, waren die Enten völlig ausgehungert. In der kurzen Zeit, die ich dort stand, schafften sie einen ganzen Laib Weißbrot.
    Miss Morning sah so adrett und korrekt aus wie immer, mit ihrem blassblauen Hütchen und den schwarzen Handschuhen – untadelig, selbst als sie sich vorbeugte, um Brotstückchen zu werfen. Ein wagemutiges Taubenpärchen flog herab, um zu stibitzen, aber die alte Dame scheuchte es energisch weg.
    »Hier«, sagte sie und brach mir ein Stück ab. »Sehen Sie zu, dass die da auch etwas abbekommt.«
    Ich gehorchte und warf das Brot in Richtung einer ganz besonders verschlafenen Gans, die träge am Ufer des Teiches dahintrieb.
    »Warum haben Sie mich gerufen?«, fragte sie, nachdem sie die letzten Krümel aus den Tiefen ihrer Tasche geschüttelt hatte und die Vogelschar, die augenblicklich begriffen hatte, dass es bei uns nichts mehr zu holen gab, auf der Suche nach aussichtsreicheren Riesenwesen davongewatschelt war.
    »Die Präfekten …«, begann ich bedrückt.
    »Sie haben sie kennengelernt?«, unterbrach sie mich sofort; die gutmütigen, altersmilden Fältchen strafften sich zu Scharfsinn und kühler Spekulation. »Wir sollten uns in Bewegung setzen. Da wir fast sicher beschattet werden, sollten wir es den Gaunern wenigstens so schwer wie möglich machen, uns zu belauschen.«
    Ich blickte mich um in dem menschenleeren Park mit seinen kahlen Bäumen und den graubraunen Rasenflächen, auf denen da und dort das nackte Erdreich hervorlugte. »Wie sollte uns hier jemand belauschen?«
    »Die haben ihre Augen und Ohren überall. Machen Sie nicht den Fehler anzunehmen, dass das Direktorium nur aus drei Mann und einem Aktenschrank besteht. Sie haben erst die Spitze des Eisberges zu Gesicht bekommen.« Sie unterbrach sich und holte tief Luft. »Aber was wollten Sie eigentlich von mir wissen?«
    »Hawker und Boon … Wer sind die beiden? Ich will sagen, was, zum Teufel, sind die beiden?«
    Miss Morning zuckte leicht zusammen, doch eine Sekunde lang sah ich die stählerne Härte in ihr, die Skrupellosigkeit, die für die Eignung zum Dienst im Direktorium wohl unabdingbar war. »Es sind die Dominomänner, Mister

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