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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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ist ein Lokal, das ich ganz gewiss nie wieder beehren werde.
    Unklugerweise lehnte ich das etwas herablassend vorgebrachte Angebot der Kellnerin ab, mir Messer und Gabel zu servieren, und kämpfte daher zwanzig Minuten später immer noch mit einem überquellenden Schüsselchen. Selbstredend schwang Abbey ihre Stäbchen nicht nur mit beschämender Gewandtheit, sondern brachte es sogar fertig, aus dem Vorgang des Zusichnehmens von gebratenem Eierreis und Hummerchips ein geradezu sinnliches Schauvergnügen zu machen. Amüsiert verfolgte sie meine gastronomischen Debakel, denn das wenige, das es zwischen meine Stäbchen schaffte, rieselte zumeist über meine Hemdbrust und hinterließ dort ein Muster aus fettig-orangefarbenen Flecken.
    Nachdem der Nichtigkeiten Genüge getan war, sagte sie plötzlich aus heiterem Himmel: »Henry, ich mache mir wirklich Sorgen um dich.«
    Alles, was ich als Antwort zustande brachte, war ein einsames, zerstreutes »Oh?«, denn in diesem Moment hatte ich alle Hände voll mit einem ganz besonders schwer fassbaren Stückchen Ente zu tun.
    »Dieser neue Job von dir. Gestern Nacht, nachdem du mich aufgeweckt hattest, gabst du nur sinnloses Gebrabbel von dir. Ohne Hand und Fuß. So als wärst du angeheitert oder high.«
    »Oh«, machte ich wieder. »Tut mir leid.«
    »Du hast dich verändert. Sag mir die Wahrheit, Henry. Bist du da in irgendwas Gefährliches reingeschlittert?«
    »Ich wurde befördert!«
    »Da steckt mehr dahinter.«
    Plötzlich verlor ich die Lust am Weiteressen, legte die Stäbchen auf das Schälchen und schob es zur Tischmitte. »Ja, da steckt mehr dahinter. Aber ich kann dir nicht sagen, was.«
    »Warum nicht, um Himmels willen?«
    »Weil ich dich nicht in Gefahr bringen möchte.«
    Abbey verdrehte die Augen und winkte der Kellnerin. »Lassen wir uns die Rechnung geben.«
    Ich habe mich nie als besonderen Frauenkenner betrachtet, aber selbst ich konnte sehen, dass sie verärgert war.
    »Ich weiß nicht, in welche Richtung es mit uns beiden geht«, meinte sie. »Aber ich sage dir schon jetzt, dass nichts passieren wird, wenn wir nicht völlig aufrichtig miteinander umgehen.«
    »Ich wünschte, ich könnte es dir erzählen«, sagte ich. »Ehrlich.«
    Sie sah mich skeptisch an.
    »Ganz im Ernst«, protestierte ich. »Es wäre Selbstmord.«
    »Selbstmord?«
    »Beruflicher Selbstmord«, fügte ich rasch hinzu.
    Die Kellnerin näherte sich träge unserem Tisch. »Alles in Ordnung?«
    »Großartig«, sagte Abbey. »Danke.«
    »Und was ist mit Ihnen?« Missfällig sah sie auf mein noch halb volles Schüsselchen hinab. »Hat wohl nicht geschmeckt?«
    Ich bewerkstelligte ein schmales Lächeln. »Keineswegs, es war wunderbar! Ich bin bloß satt, das ist alles.«
    Die Kellnerin zuckte die Achseln und wandte sich wieder Abbey zu. »Hab Sie schon ’ne Weile nicht gesehen.«
    Meine Hauswirtin wirkte verlegen. »Ich hatte sehr viel zu tun.«
    »Ja. Das sehe ich.« Das musste sich auf mich bezogen haben, denn als sie es sagte, warf sie einen abweisenden Blick in meine Richtung. »Ein guter Rat – und der kostet nichts.« Sie beugte sich verschwörerisch zu Abbey hinab. »Der andere gefällt mir besser.«
    »Bringen Sie uns einfach nur die Rechnung«, fuhr Abbey sie an, und die Kellnerin verzog sich, wütend über Abbeys verärgerten Tonfall, blitzartig zur Ladenkasse.
    »Du bist schon früher hier gewesen?«
    Abbey konnte mir nicht recht in die Augen sehen. »Hundert Mal. Es ist ja gleich um die Ecke vom Büro.«
    »Was meinte die Kellnerin damit? Dass ihr der andere besser gefällt?«
    »Keine Ahnung.« Verlegen begann sie zu plappern: »Jedenfalls tut es mir wirklich leid wegen vorhin. Ich wollte nicht so heftig werden oder dir zu nahe treten.«
    »Das hast du nicht getan.«
    »Ich finde es nur einfach aufregend, was sich da zwischen uns entwickelt, und ich möchte es nicht aufs Spiel setzen. Ich muss eben lernen, dir zu vertrauen. Aber verrate mir nur eines.«
    »Ich gebe mir Mühe.«
    »Was du machst … ist das legal?«
    »Durchaus«, versicherte ich ihr, obwohl ich mir über den gesetzlichen Status des Direktoriums eigentlich noch nie den Kopf zerbrochen hatte. Diese Leute schienen irgendwie in einer eigenen Seifenblase zu existieren – in einer Hülle aus Absurdität, die sie von der realen Welt komplett abschirmte.
    Die Rechnung kam, und ich bestand darauf, sie zu begleichen, zumal ich soeben eine Lohnerhöhung bekommen hätte. Das war die reine Wahrheit. Mein erstes, äußerst

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