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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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Socken und Schuhe wieder anzuziehen und die Spritze zu verstauen. »Was ist denn los, Kumpel? Sie sehen ja miserabel aus.«
    »Ich denke …«, sagte Arthur langsam.
    »Ja?« Mister Streater klang so ungeduldig wie ein Altenpfleger, der von einem ganz besonders bockigen Schützling gepiesackt wurde.
    »Ich denke, ich habe wohl einen außergewöhnlich intensiven Traum gehabt«, sagte Arthur schließlich. »Nur einen Traum.«
    Der Prinz bemerkte, dass Streater eine Teekanne und zwei volle Tassen dabeihatte – eine für jeden.
    »Ich habe Nachricht von meiner Mutter. Sie erklärt mir, Sie wären die Zukunft.«
    Streater lachte auf. »Wir sind die Zukunft, Chef. Wir beide, Sie und ich.« Er reichte dem Prinzen eine Tasse. »Runter damit. Höchste Zeit zum Loslegen.«
    Arthur nahm die angebotene Tasse. Es blieb ihm gerade noch Zeit, sie an die Lippen zuführen, als Streater in die Hände klatschte. Die Lichter im alten Ballsaal gingen aus, und das Spiel begann von Neuem.
     
    Leise wabernd und schimmernd saß seine Vorfahrin, die Kaiserin von Indien, vor ihm, ganz genauso kalt und monolithisch wie zuvor; doch diesmal bildete Arthur sich ein, eine gewisse Befriedigung an ihr zu erahnen – etwas beinahe Postkoitales in ihrer ganzen Körperhaltung. Neben ihr standen drei Fremde, ein Männertrio in Sonntagsanzügen, ordentlich gekämmt und mit Pomade im Haar.
    »Streater …«, setzte der Prinz zum Sprechen an, aber diese Kreatur seiner Mutter brachte ihn mit einer unwirschen Handbewegung zum Verstummen – und zwar mit kaum mehr Respekt als ein Vater während einer langen Autofahrt gegenüber seinem lästigen Kind.
    »Bloß keine Ungeduld, Chef. ›Zurücklehnen und genießen‹ heißt die Parole.« Er feixte im Halbdunkel. »Ich wette, die haben Sie auch irgendwann mal von Ihrer Angetrauten gehört.«
    Arthur stand im Begriff, gegen diese auf peinlichste Weise zutreffende Despektierlichkeit zu protestieren, als die Tür aufgestoßen wurde und die durchscheinende Gestalt Mister Dedlocks mit fliegenden Frackschößen die Schwelle überschritt; seine Gesichtszüge zeigten einen Ausdruck rücksichtsloser Entschlossenheit.
    Die alte Königin – seit einhundertsechs Jahren tot – hob die Mundwinkel zur grausigen Imitation eines Lächelns. »Wem schulden wir dieses höchst ungewöhnliche Vergnügen?«
    Der Mann des Direktoriums schien aufgeregt und beunruhigt. »Ich bitte um Vergebung, Eure Majestät. Verzeihen Sie mein unschicklich überstürztes Erscheinen. Mir blieb keine andere Wahl; ich musste Sie sehen.«
    Wortlos und ohne eine sichtbare Regung starrte die Königin ihren Untertan an.
    »Eure Majestät, ich glaube nicht, dass Leviathan das ist, was er zu sein vorgibt. Gewiss ist Ihnen nicht entgangen, dass der Name in der Bibel erwähnt wird. Es ist das Ungeheuer im Wasser, der große Drache, der Schrecken der sieben Häupter.«
    »Ach, tatsächlich, Dedlock.« Die Königin sprach wie ein Fahrkartenkontrolleur, dem ein – nicht zum ersten Mal – ertappter Schwarzfahrer eine phantastisch komplizierte Ausrede auftischt. »Es besteht keine Notwendigkeit zu dramatisieren. Aber Leviathan sagte mir voraus, dass Sie so reagieren würden. Erst letzte Nacht meinte er, es werde viele Zweifler geben.«
    »Letzte Nacht, Madam?«
    »Er kam wieder in einem Traum zu mir und erklärte, was ich zu tun habe. Unter Balmoral muss ich zu seinen Ehren eine Kapelle erbauen lassen. Er wird dafür unsere Grenzen sichern. Er wird unser Reich verteidigen und dafür sorgen, dass es für alle Zeit unversehrt in den Händen meines Hauses ruht.«
    »Madam, ist Ihnen nie in den Sinn gekommen, dass wir all dies auch ohne den Beistand dieses Leviathan erreichen könnten?«
    Die Königin schien die Frage gar nicht gehört zu haben. »Ich glaube, Sie kennen meine Advokaten noch nicht«, sagte sie. »Sie arbeiten mit ganzer Kraft an dem Vertragswerk.«
    Die Männer hinter der Königin traten nacheinander vor wie Püppchen einer Spieluhr. »Darf ich Ihnen die Inhaber der Kanzlei Wholeworm, Quillinane und Killbreath vorstellen.«
    Der Erste der Männer streckte die Hand aus. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mister Dedlock.« Er sprach in dem vollen, selbstsicheren Tonfall, den nur die Creme der englischen Privatschulen vermittelte. »Mein Name ist Giles Wholeworm.«
    Der Nächste trat vor, ebenfalls mit ausgestreckter Hand. »Jim Quillinane«, sagte er in der heiteren Sprachmelodie der Iren. »Welch eine Freude, Ihre Bekanntschaft zu

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