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Das Königshaus der Monster

Titel: Das Königshaus der Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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ist es schon!«
     
    »Was für ein langweiliges Mädel«, sagte sie in der Sekunde, als Barbara die Tür hinter sich schloss.
    Ich war in der Küche und setzte die Kanne auf. »Also, langweilig würde ich sie nicht gerade nennen.«
    »Sie findet dich natürlich faszinierend.«
    »Wie bitte?«
    »Macht sich auf den ganzen langen Weg bis hierher, nur um deinen Schrotthaufen von Fahrrad vorbeizubringen! Ist ja geradezu peinlich.«
    »Ich halte es für eine nette Geste.«
    »Nette Geste?« Offenbar war dieser Gedanke absurd. »Ich glaube, sie ist hinter dir her.«
    Ich hörte das Wasser brodeln. »Was meinst du mit ›hinter mir her‹?«
    Abbey verschränkte die Arme. »Das sehe ich an ihren Blicken.«
    »Lächerlich. Warum sollte sich Barbara für mich interessieren? Also, wie ist es, willst du jetzt Kaffee oder nicht?«
    Abbey stelzte aus dem Zimmer.
    »Menschenskind!«, murmelte ich. »Du wirst doch nicht eifersüchtig sein?«
    Ihre einzige Antwort war das krachende Zuschlagen der Schlafzimmertür.
     
    Ich überlegte mir ernsthaft, an diese Tür zu klopfen, Abbey in die Arme zu nehmen und ihr zu gestehen, dass ich hoffnungslos und über alle Maßen in sie verliebt war (und nicht im Mindesten interessiert an Barbara), als mich das Schrillen der Türklingel aus der Bahn warf.
    Der Fahrer des Direktoriums lümmelte am Türpfosten. »Holen Sie sich Ihren Mantel«, grunzte er. »Die Präfekten wollen mit Ihnen reden.«
    Beim Holen meines Mantels und den Vorbereitungen zum Verlassen des Hauses machte ich so viel Lärm wie nur irgend möglich, aber Abbey tauchte nicht auf, und ich war zu stolz, um ihr zu sagen, dass ich fortmusste.
     
    Bei Barnaby im Wagen lief Radio Four – irgendein esoterisches Nachtprogramm mit zwei gewichtigen Persönlichkeiten, die sich über die Frühwerke von H.G. Wells in die Haare gerieten.
    »Akademiker«, stieß Barnaby hervor, als wir an der Station Tooting Bec vorbeifuhren und die übliche langwierige Flucht aus Südlondon antraten.
    »Aber waren Sie das nicht auch einmal?«, fragte ich nachsichtig.
    »Das schon!« Barnabys Stimme strotzte nur so vor Streitlust, die mir noch konzentrierter schien als sonst. »Der Unterschied ist nur – ich wusste, wovon ich sprach! Und ich wäre immer noch, was ich war, wenn mich diese Hundesöhne nicht reingelegt hätten, nicht diese elenden Winkelzüge ausgeheckt hätten, die …«
    »Wo ist denn Jasper heute Nacht?«, fragte ich, bemüht, von seinem wunden Punkt abzurücken. »Und Steerforth?«
    Der Fahrer verzog das Gesicht. »Kein Mumm in den Knochen. Weichlinge, alle beide.«
    »Ich glaube nicht, dass sie feige sind«, widersprach ich ruhig. »Es liegt einfach an Hawker und Boon. Die beiden haben etwas an sich, das einem Grauen einflößt.«
    Ein abfälliges Grunzen vom Fahrersitz.
    »Haben Sie den beiden je gegenübergestanden?«
    »Nein«, antwortete er, doch an der Art, wie er es sagte, merkte ich, dass er log.
    Ich wollte gerade weiterfragen, aber Barnaby drehte die Lautstärke des Radios so hoch, wie es nur ging, und weigerte sich für den Rest der Fahrt, irgendwelche Fragen zu beantworten.
     
    Die Phalanx von Reportern, die tagsüber häufig vor Nummer 10 herumlungern, war längst zu Bett gegangen, und alles, was sich darüber hinaus noch dort aufhielt – Soldaten, Wachen, Kriminalbeamte in Zivil –, teilte sich vor mir ohne das leiseste Murren. Wieder einmal wunderte ich mich über den Zentralschlüsseleffekt des Wortes »Direktorium«, das offenbar alle Schlösser öffnete.
    Diesmal hatte ich Downing Street 10 allein betreten. Barnaby saß draußen im Wagen und wühlte sich durch Erskine Childers und das Drama des Utopismus: Die (Re-)Strukturierung des Bolschewismus in ›Das Rätsel des Sandes ‹.
    Das Gefühl der Beklemmung – das Wissen, sehenden Auges das Pfefferkuchenhäuschen zu betreten – war diesmal womöglich noch stärker als beim ersten Mal. Ich durchquerte die Bibliothek, trat hinter das Gemälde und schritt hinab in die Tiefen, wo ich, vorbei an der lautlosen Galerie abstoßender Gestalten, auf Zehenspitzen durch den dämmrigen Korridor ging, bis ich die letzte Zelle erreicht hatte – das Grauen einflößende Domizil der beiden Präfekten.
    Die Finger so fest um die Waffe geschlossen, dass die Knöchel weiß hervortraten, nickte mir der Wachposten kurz zu, und ich bildete mir ein, tief unter seiner Maske militärischer Ausdruckslosigkeit eine Andeutung von Anteilnahme entdeckt zu haben – eine winzige Spur von

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